Kultur: Beziehungsreiches Leuchten
Der Winzerberg erstrahlt im Ohne-Sorge-Licht / Kunst-Aktion erinnert an maroden Zustand
Stand:
Es war kalt, es stürmte, und die Besucher am Fuße des Winzerbergs mussten sich heftig bewegen, um nicht in Kälte zu erstarren, als am Freitagabend in der unwetterbedrohten Dunkelheit die Licht- und Klanginstallation „Ohne Sorge“ eröffnet wurde. Auf der oberen Terrasse steht in Riesenbuchstaben das verheißungsvolle „Ohne Sorge“, eine Übersetzung des Sanssouci-Mottos von Friedrich dem Großen. Sorglos aber sind die Freunde des Winzerbergs nicht. Denn sie wollen mit der aktuellen Aktion, die noch bis zum 6. April diesen Teil des UNESCO-Weltkulturerbes abends von 19 bis 21 Uhr in helles Licht rückt, auf dessen Bedrohung aufmerksam machen.
Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten hat für die Restaurierung der einstürzenden Altbauten kein Geld, aber der „Bauverein Winzerberg“ hat immerhin schon in ehrenamtlicher Arbeit die Bacchus-Treppe wiederhergestellt und den historischen Wert der Anlage durch Forschungsarbeit würdigen lassen. Das erklärte Diethelm Marche vom Bauverein. Der eigens zum Erhalt des Gartenbaudenkmals 2005 gegründete „Kunstverein Winzerberg“ will mit spektakulären, durch Sponsoring finanzierte, Kunstaktionen auf diesen besonderen Ort aufmerksam machen.
Das Triumphtor am Eingang war rosa-rot beleuchtet, bevor das Spektakel begann. Es hat eine ambivalente Geschichte, verherrlicht doch eine Inschrift seinen Bauherrn, Friedrich Wilhelm IV, der den Badischen Aufstand 1848 niederschlagen ließ und damit eine frühe Demokratisierungsbewegung erstickte. Daran wollten die beiden Konzeptionskünstler der Berliner Gruppe „Schein“, Jan Hülpüsch und Daniel Porsdorf, auch erinnern. Vor allem mit ihrer „Badischer Wein“ genannten Klanginstallation sollte den Aufständischen ein ephemeres Denkmal gesetzt werden. Dies war als nahendes und sich wider entfernendes Fließen nur am Eröffnungsabend parallel zum sich nähernden und wieder vergehenden Lichtfluss zu hören.
Insgesamt etwa achtzig Positionslampen werden der Reihe nach erleuchtet, zuerst auf der untersten Ebene, dann schwenkt der Lichtfluss auf die nächste Ebene, und so fort, bis für einen kurzen Moment die Ohne-Sorge-Botschaft erstrahlt. Um wieder zu verlöschen. Und wieder neu zu leuchten. Die drei Meter hohen Lettern wurden von Rainer Fürstenberg aus einer Multiplex-Platte ausgeschnitten und sollen, entweder einzeln oder im Ganzen, versteigert werden. Der Kunstverein rief in Gestalt seiner Vorsitzenden Jeannette Niebelschütz die Bürger dazu auf, sich an einem Wortspiel zu beteiligen und die Buchstaben zu neuen Wörtern zusammenzusetzen.
Hartmut Dorgerloh, Direktor der Schlösser-Stiftung, hatte eine muntere Interpretation des „Sans,souci.“-Schriftzuges, wie Friedrich der Große ihn mit dem Komma und dem Punkt auf sein Schloss setzen ließ, parat und hellte damit die Gemüter der frierenden Kunstliebhaber ein wenig auf: Nach einer Interpretation von Heinz Dieter Kittseiner könne das Komma französisch gemeint sein, also virgule. Und Virgel bedeute auch Stäbchen – da Friedrich dem Großen möglicherweise in seiner Jugend etwas an seinem „Stäbchen“ zugestoßen sein könne, ist es denkbar, dass er selbstironisch seine eventuelle Impotenz in der Inschrift auf dem Gesims seines Schlosses thematisierte. Aha.
Jedenfalls ein Beispiel dafür, wie wir jetzt alle fröhlich interpretieren können – und hoffentlich nicht so düster, wie Ingeborg Bachmann das in ihrem Gedicht „Reklame“ tat. Denn da war die Frage „Wohin aber gehen wir / wenn es dunkel wird und wenn es kalt wird“ mit der großgeschriebenen Werbebotschaft „OHNE SORGE SEI OHNE SORGE“ versetzt und geriet so zur Kritik am Kapitalismus.
Lore Bardens
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: