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Kultur: Bildende Kunst, Kunstvereine und Potsdams Mitte

Zu: „Thesenverbrämt“, 6. AprilAm Wochenende musste ich mir als Leser der PNN verwundert die Augen reiben.

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Zu: „Thesenverbrämt“, 6. April

Am Wochenende musste ich mir als Leser der PNN verwundert die Augen reiben. Eine Galeristin fällt öffentlich den beiden wichtigsten Kunstvereinen ihrer Stadt in den Rücken – jenen Institutionen also, die an ihrem Galeriestandort die Kunstproduktion fördern und das Publikum anziehen, von dem jede Galerie lebt.

Nun gibt es überall kleine und große Streitereien, wenn es um bürgerliches Miteinander geht. Für einen Außenstehenden mag das oft nur wie eine Posse erscheinen, und doch können sich derlei Scharmützel für die Betroffenen zu einer Existenz bedrohenden Tatsache ausweiten, wie hier in der unglückseligen Diskussion um die Kunstvereine Potsdams, das nur mit zaghaften Schritten auf die „Moderne Kunst“ zugeht.

In einem Beitrag, in dem es eigentlich um die Potsdamer Kunsthallendiskussion gehen sollte, hatte die Potsdamer Galeristin Sehmsdorff nämlich mit Argumenten überrascht, die bei manchem Stadtverordneten allzu schnell auf offene Ohren treffen könnten, wenn er unter Sparzwang nach der nächsten Einsparmöglichkeit sucht. „Mit eigenem Geld“ sollten die Kunstvereine ihre Ideen verwirklichen, statt auch öffentliche Mittel zu nutzen. Gerade für den überregionalen und internationalen Austausch seien private Mäzene und nicht der Kulturhaushalt da. Vermutlich reibt sich der Stadtkämmerer angesichts solcher Verkürzungen schon die Hände.

Die Autorin verkennt hier den öffentlichen Auftrag, Kultur zu fördern und das eben außerhalb eines Kunstmarktgeschehens, um die Freiheit der Kunst zu sichern. Der Beitrag ist umso ärgerlicher, weil die Voraussetzungen und die Grundlagen von frei agierenden Kunstvereinen in der Bundesrepublik Deutschland nicht korrekt dargestellt oder gar falsch verstanden worden sind. Kunstvereine in der Bundesrepublik haben eine lange Tradition und zeichnen sich durch ein privates bürgerschaftliches Engagement aus.

In den alten Bundesländern haben sich viele Kunstvereine einen Namen gemacht, indem sie – dem föderalem Prinzip folgend – an unterschiedlichen Orten unterschiedliche Position modernen Kunst vorgestellt haben. Die Tatsache, ob die Kunstwerke verkäuflich seien, spielt dabei keine Rolle, weil das Hauptaugenmerk darauf gerichtet ist, einen Diskurs um die künstlerische Produktion anzuregen, der eben – und das ist entscheidend – frei von marktstrategischen Überlegungen ist. Diese Freiräume sind ein wesentliches Gut in unserer Republik und wer glaubt, der Markt würde schon alles regeln, der irrt sich nicht nur, sondern der verkennt kapitalistisch überzogen die Tatsche, dass eine Gesellschaft hauptsächlich in einem sozialen diskursiven Miteinander agiert, das geprägt ist von unterschiedlichen Äußerungen und Meinungen.

Andererseits ist es eine alte Binsenweisheit im Kunstmarkt-Geschehen, dass die gegenseitige Befruchtung aller Akteure immer auch allen zugute kommt. Von der Pionierarbeit unabhängiger Ausstellungsinstitute haben nach kurzer Zeit stets auch die privaten Verkaufsgalerien profitiert.

So müsste man also die beiden angegriffenen Potsdamer Vereine dafür loben, dass sie spannende Kunst nach Potsdam holen und dabei auch noch weit mehr private Spenden ihrer Mitglieder und Förderer als öffentliche Mittel einsetzen. Jeder Euro, der in einen Kunstverein fließt, zieht ja weiteres Engagement nach sich, von der ehrenamtlichen Arbeit bis zur Großspende aus privater Hand.

Richtig ist freilich, dass in der Gesamtheit der ostdeutschen Kunstvereine die Mitgliederzahlen nicht an die alten, teils im frühen 19. Jahrhundert gegründeten Vereine heranreichen. Nach den DDR-Erfahrungen fällt es manchen eben schwer, satzungsgeregelte Organisationsformen zu akzeptieren. Vom preisgekrönten ACC Weimar bis zum BKV Potsdam hatten die Vereine aber eben auch nur zwei Jahrzehnte Zeit, das bürgerliche Engagement für eine Kunst abseits staatlicher Lenkung neu zu entwickeln.

Längst spielen diese Kunstvereine in der Bundesliga der Kunstvermittlung und binden ein oft weit überregionales Publikum an ihre Standorte, führen aber auch viele Bürger zum ersten Mal an zeitgenössische Kunst heran und führen einen fruchtbaren Dialog mit der lokalen Künstlerschaft. Die Forderung aller politischen Parteien nach kultureller Bildung wird hier beispielhaft praktiziert und wird selbstverständlich durch öffentliche Gelder vielerorts gerne gestützt, allzumal es eigentlich die ureigene Aufgabe des Landes oder der Stadt wäre, sich dieser Bildungsaufgabe anzunehmen.

Die Frage nach verhältnismäßig kleinen Mitgliederzahlen der letztlich jungen Vereine vor Ort ist deshalb nur noch für Statistiker relevant. Entscheidend sind der kulturelle Auftrag und das große Echo der Ausstellungen, die alle Kunstvereine in Potsdam haben, was den zunehmenden Hunger der Bevölkerung nach moderner Kunst mehr als deutlich skizziert.

In diesem Sinne hoffe ich inständig, dass sich kein Stadtabgeordneter von dem kurzsichtigen und gelegentlich polemischen Beitrag der Galeristin leiten lasse möge und dass die Kunstvereine in Potsdam zukünftig mehr als nur ein paar Groschen aus dem öffentlichen Haushalt abbekommen mögen. Die Angst vor Berlin oder dem internationalen Kunstgeschehen ist nur dann gerechtfertigt, wenn man sich weiterhin in „Sachen Moderne“ lediglich auf den Alten Fritz beruft.

Frank Michael Zeidler, 1. Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes

Zu:, „Stadt ohne Mitte“, 27. März

Die wünschenswerte Diskussion über die Situation und Entwicklung der Bildenden Kunst in Potsdam ist mit den Thesen von Gerrit Gohlke und Wilhelm Neufeldt in der Sonderveröffentlichung der PNN eröffnet. Wie kann sie zur Bürgerangelegenheit weiterentwickelt werden, welches Forum ist dafür am geeignetsten und wie kann es sich wirkungsvoll etablieren? Sicher werden die Bildenden Künstler im Kreis eines Forums eine wichtige Rolle zu übernehmen haben, sind doch sie es, deren Werke gefördert und denen mehr Akzeptanz verschafft werden soll.

Ein großer Kreis von beruflich oder aus eigenem Interesse der Kunst verbundenen Bürgern, die sich hier engagieren wollen, wird sich zusammenfinden, um mit Vertretern der Stadt Potsdam und des Landes Brandenburg in einer Interessengemeinschaft Kunst eine neue Entwicklung einleitend zu fördern.

In welch dringlicher Form hier Handlungsbedarf gegeben ist, hat der gescheiterte Versuch um die Einrichtung einer privaten Spenderkunsthalle in der Stadtmitte gezeigt. Es ist nicht nachvollziehbar, wie ein Projekt, das weit über den eigenen Rahmen hinaus seine positiv belebende Wirkung gerade für die weitere Entwicklung der bildenden Künste in Potsdam entfalten konnte, hat scheitern müssen. Hier stellen sich Fragen an alle Akteure, die bisher nicht beantwortet worden sind. War es der nicht wirklich belastungsfähige Wille im Land und in der Stadt selbst, war es eine den Konsensregeln der Demokratie nicht gewachsene Öffentlichkeit oder war es das fehlende Bewusstsein für die einmalige Entwicklungschance, die nun unwiederbringlich vertan ist? War die Stadt Potsdam noch nicht reif für dieses Angebot? Die Antworten auf diese Fragen werden Gegenstand der fälligen Diskussion sein müssen, weil sie das Selbstverständnis und das kulturelle Engagement in der Bürgerstadt und im Land klären. Daraus abzuleitende Vorstellungen, die als Ansprüche formuliert einen neuen Weg weisen sollen, gilt es auf diesem mühevollen Wege zu erarbeiten. Dafür ein tragfähiges Konzept zu entwickeln ist diese Selbstvergewisserung unabdingbar nötig. Das so apodiktisch formulierte ‚Muss‘ der Thesen wird damit Gewicht erhalten und wirksam werden, wenn es gemeinsam als ein zukunftsweisendes Element der kulturellen Bürgerstadt Potsdam entwickelt und wahrgenommen werden kann.

Peter Vogel, Potsdam

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