Kultur: Bilder an der Kirchenwand
Wiederentdeckte Schätze: Das Buch „Mittelalterliche Wandmalerei in Brandenburg“ zeigt, dass Denkmalpflege ihrem Namen auch gerecht werden kann
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Dieses Buch ist eine Einladung, unbekannte Schönheiten vor der eigenen Haustür zu entdecken. Gleichzeitig ist es der überzeugendste Beweis dafür, dass Denkmalpflege im Land Brandenburg ihrem Namen auch gerecht werden kann. „Mittelalterliche Wandmalerei in Brandenburg. Band 1: Der Südosten – die Brandenburgische Lausitz“ lautet der Titel dieses Buches, das kürzlich in Potsdam vorgestellt wurde. Herausgeber sind das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und das Archäologische Landesmuseum.
Schon der Titel „Mittelalterliche Wandmalereien“ überrascht. Und dann ausgerechnet auch noch in Dorf- und Stadtpfarrkirchen in der Brandenburgischen Lausitz? Doch wenn man weiß, dass es allein im Land Brandenburg über 1100 Dorfkirchen und über 600 Stadtpfarrkirchen gibt, verwundert es weniger, dass hier auch Überreste religiös motivierter Wandmalereien zu finden sind. Was dann aber beim ersten Blättern in diesem Buch erstaunt, ist die Vielfalt und Qualität dieser Wandmalereien.
Bis ins 13. Jahrhundert reichen die hier gezeigten Wandmalereien zurück. Der Hauptteil der gefundenen und in „Mittelalterliche Wandmalerei in Brandenburg“ dokumentierten Kunstwerke stammen jedoch aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Insgesamt sind 29 Gotteshäuser und ein Rathaus aus der Brandenburgischen Lausitz erfasst worden. Dabei handelt es sich nur in Beeskow und Cottbus um Stadtpfarrkirchen, in Neuzelle um ein Kloster und in Luckau um ein Rathaus. Der große Rest sind besagte Dorfkirchen.
Im einführenden Textteil wird in sieben Aufsätzen unter anderem auf die mittelalterliche Wandmalerei in Brandenburg, den Kirchenbau und die Kunstlandschaft in der Lausitz und Maltechniken, Zustand und Pflege der Wandmalereien eingegangen. Der ausführliche Katalogteil widmet sich dann jedem der 29 vorgestellten Gotteshäuser und dem Rathaus in Luckau. Über das jeweilige Gebäude und den Innenraum geht es zu den Wandmalereien, deren Zustand, Restaurierungsgeschichte, erforderliche konservatorische und restauratorische Maßnahmen und entsprechende Erklärungen zum Dargestellten. Es sind vor allem die detailgetreuen und hochwertigen Aufnahmen der jeweiligen Wandmalereien, die „Mittelalterliche Wandmalerei in Brandenburg“ zu einem Buch machen, das auch ein Genuss für das Auge ist.
Ob nun fantasievolle Ornamentik oder farbenfroh-florale Darstellungen, ob Kreuzwegzyklen oder Fegefeuerdarstellungen, ob Heiligenbildnisse oder Fabelwesen, was hier gezeigt wird, entpuppt sich auf fast jeder Seite als eine kleine Entdeckung. Besonders reizvoll wird es, wenn in diesen religiösen Wandmalereien regionale Bezüge auftauchen. So finden sich in den Dorfkirchen in Zaue und Brieselang Darstellungen von Butterhexen. Bäuerlich gezeichnete Weibsbilder, die mit dem Teufel im Bunde waren.
Größten Eindruck hinterlassen die zahlreichen Wandmalereien in der Dorfkirche Briesen, die sich hier in einer fast schon bilderbuchhaften Vielfalt durch das gesamte Kirchenschiff erstrecken. Selbst die ehemalige Holzdecke war in diese Farbigkeit einbezogen. Hier finden sich Ornamente mit grotesken Figuren, Bibelszenen und Heiligendarstellungen, Bilder von den Stiftern und so manche Groteske. Ein Bilderreichtum, der den Besucher dieser Kirche einen ganzen Tag beschäftigen kann.
Viele dieser Wandmalereien sind im Zuge der Reformation unter neuem Putz verschwunden oder einfach übermalt worden. Durch aufwendige Restaurierungsarbeiten hat das Brandenburgische Landesamt einen Teil dieser Schätze wieder freigelegt. „Band 1“ steht im Titel von „Wandmalerei in Brandenburg“. Auf die Fortsetzung dieser Reihe, so viel ist mit diesem gelungenen Auftakt sicher, darf man sich schon jetzt freuen. Dirk Becker
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege/Archäologisches Landesmuseum: Mittelalterliche Wandmalerei in Brandenburg. Band 1: Der Südosten – die Brandenburgische Lausitz, Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2010, 238 Seiten, zahlreiche, meist farbige Abb., 48 Euro
Dirk Becker
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