Von Dirk Becker: Bilder eines Krieges
Die Ausstellung „Einsatz in Afghanistan“ des Fotografen Fabrizio Bensch
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Diese Bilder sind am 14. Dezember entstanden. In Afghanistan, Bezirk Chahar Dara. Die Soldaten waren mit den Reparaturarbeiten an einer zerstörten Brücke beschäftigt, als sie von Taliban angegriffen wurden. „War schon ein ziemlich heftiger Feuerkampf, der über eine Stunde ging. Zum Glück nichts weiter passiert“, schreibt der Fotograf Fabrizio Bensch noch am gleichen Tag in einer Mail an seine Familie und Freunde.
Der in Berlin lebende Fabrizio Bensch hat die Arbeiten an der Brücke fotografiert, aber auch Szenen aus dem Gefecht und die Ruhe danach. Zu sehen sind diese Bilder in der am Mittwochabend in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung eröffneten Ausstellung „Einsatz in Afghanistan“. Bensch, freiberuflicher Fotojournalist, unter anderem tätig für den „Spiegel“, „The Independent“ und zahlreiche internationale Nachrichtenagenturen, zeigt hier eine kleine Auswahl von Bildern, die er während seiner drei Aufenthalte von 2008 bis 2010 bei Bundeswehrsoldaten in Afghanistan gemacht hat. Auf Tafeln sind dazu einige der Mails abgedruckt, die Bensch während seines Aufenthalts in Afghanistan an seine Familie und Freunde verschickte. Eine Art Tagebuch aus diesem für uns so unwirklichen Ort.
Es sind keine reißerischen oder spektakulären Bilder, die Fabrizio Bensch gemacht hat. Selten ist da etwas Dramatisches zu sehen. Es sind Bilder vom Alltag der rund 5000 Bundeswehrsoldaten, die, meist für mehrere Monate, im immer gefährlicher werdenden Norden Afghanistans stationiert sind. Es sind Innenansichten eines Kampfes, den Krieg zu nennen sich deutsche Politiker noch immer scheuen. Fabrizio Bensch fand bei einer kurzen Rede bei der gut besuchten Ausstellungseröffnung dagegen klare Worte als er sagt: „Ich war dabei in diesem Krieg.“
Diese Fotografien von Bensch dulden kein nur schnelles, flüchtiges Anschauen. Auch wenn diese Bilder oft auf den ersten Blick nichtssagend wirken können. Soldaten auf Patrouille, Fahrzeugkolonnen, Leben im Zeltlager, Gesichter von Einheimischen. Wie viele solcher Bilder hat man in den vergangenen Jahren nicht schon in Zeitungen, Zeitschriften und im Fernsehen gesehen? Doch wer sich diese Fotografien von Fabrizio Bensch genau anschaut, entdeckt immer mehr Details. Und dann wird die Last der Einsatzausrüstung, die sperrig wie Fremdkörper an den Soldaten hängt, am eigenen Leib spürbar. Man sieht auf einmal viel deutlicher die Anspannung in den Gesichtern der Soldaten, die auf Patrouille durch verwinkelte Gassen gehen, in denen der afghanische Alltag so trügerisch ist, der Tod aber in vielfacher Form im wahrsten Sinne des Wortes an der nächsten Ecke lauern kann. Da ist der Ring an der Hand eines Soldaten, der sein Gewehr im Anschlag hat. Eine Ehering nur. Der aber so deutlich auf das andere Leben dieses Mannes hinweist, das er, im schlimmsten Fall, vielleicht nie mehr leben kann. Doch eines der beeindruckendsten und gleichzeitig bedrückendsten Bilder stammt aus der Serie vom besagten 14. Dezember, Bezirk Chahar Dara, wo die Soldaten bei den Reparaturarbeiten an der zerstörten Brücke von Taliban angegriffen wurden.
Es ist ein Bild von dieser trügerischen Ruhe nach den Kämpfen, das einen nicht mehr loslassen will. Es zeigt das bärtige Gesicht eines Bundeswehrsoldaten, der neben seinem Kameraden auf dem Boden hockt und eine Zigarette raucht. Bensch drückte in dem Moment auf den Auslöser, als der Soldat den Zigarettenrauch ausatmet. Es ist vor allem der Blick des Soldaten, der dieses Bild prägt. Ein Blick, der leer wirkt, so als würde er in ein weit entferntes Nichts schauen.
Und man denkt an Bilder aus anderen Kriegen, an Bildern aus Vietnam zum Beispiel, wo Soldaten zu sehen sind, die ebenfalls kurz nach einem Gefecht fotografiert wurden und deren Blicke auch wie in ein weit entferntes Nichts zu fallen scheinen. „Thousand-yard stare“ wird dieser Blick genannt, in dem all das Unsagbare der zurückliegenden Minuten oder Stunden zu stehen scheint. Ein Blick, der einen ahnen lässt, wie tief die nicht sichtbaren Wunden sein können, die ein solcher Krieg in die Soldaten schlägt.
Die Ausstellung „Einsatz in Afghanistan. Fotografien und Briefe von Fabrizio Bensch“ ist noch bis zum 31. März in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107, montags bis mittwochs, 9-18 Uhr, donnerstags und freitags, 9-15 Uhr, geöffnet. Der kostenlose Begleitband zur Ausstellung ist in der Landeszentrale erhältlich
Dirk Becker
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