Kultur: Blues für alle
Festival im Lindenpark mit Legende Chris Farlowe
Stand:
Festival im Lindenpark mit Legende Chris Farlowe Von Karsten Sawalski Das Programm war gut gewählt. Das „1. internationale Bluesfestival“ im Lindenpark wurde kein langweiliger Studien-Abend für Blues-Puristen. Die geladenen Künstler repräsentierten zwar nur die USA, England und Deutschland, insofern war die Bezeichnung „international“ etwas übertrieben. Aber musikalisch zeigten die Gäste, welche Verwandtschaftsbeziehungen der ursprüngliche 12-Takter seit seiner Entstehung auf den amerikanischen Baumwollfeldern vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute hervorgerufen hat. Vom Straßenmusikanten mit der Mundharmonika über Party-Spaß im elektrischen Chicago-Stil, bis hin zu Gospel, Rock, Jazz und Rhythm Blues wurde den wenigen Gästen alles geboten. Ja, leider fanden nur etwa 180 Besucher den Weg zum anspruchsvollen Programm in den Lindenpark. Aber dafür zeigten sich die Anwesenden als konzentrierte Zuhörer und viele waren bereit, den Blues vor der Bühne zu tanzen. Die gute Stimmung wurde nicht zuletzt durch die temperamentvolle Janice Harrington erzeugt, die es verstand, mit ihrer starken Bühnenpräsenz das Publikum in ihren Rhythmus zu bringen – und das ohne Schlagzeug. Erschwerend kam hinzu, dass die Mixer zeitweise nicht den richtigen Sound fanden. Wenn es schon kein Schlagzeug gibt, sollte doch wenigstens das Boogie-Piano so laut sein, dass es spürbar rollt. Für Janice Harrington schien das keine Rolle zu spielen. Die Frau mit dem markanten Gesichtsausdruck einer Eartha Kitt, animierte, verführte und scherzte. „Ich bin eine junge Frau“, sagte Harrington selbstbewusst, „ich bin erst 73 Jahre alt“. Zu einem Höhepunkt des Abends geriet ihre Version des Muddy-Waters-Klassikers „Got my Mojo working“ – stampfend, federnd, mitreißend. Zuvor hatte schon der amerikanische Sänger und Mundharmonika-Spieler Henry Heggen einige Party-Blues-Anheizer gestreut. Gemeinsam mit der Lübecker Band „Blues Transfer“ führte er die Dehnbarkeit des Blues vor. Ausgehend von traditionellen Großstadtblues-Nummern, à la Willi Dixon, schlenderte die Band in die Bereiche Jazz und Rock und setzte beim holperigen Dreiviertel-Takt auch mal eine Trommelbegleitung mit Congas ein. Heggen selbst zeigt sich als Meister auf der Blues-Harp und als kraftvoller Sänger mit Charme. Etwas kurz, aber dennoch überragend, trat die „beste Rhythm & Blues Stimme Europas“, Chris Farlowe, mit der Norman Beaker Band auf die Bühne. Der Frontman der Jazz-Rock-Band Colosseum ist ein Urgestein. Groß, mit dem Kreuz eines Ringkämpfers, wankte Farlow am Mikrofon hin und her, bewegte sich in seiner massigen Gestalt unbeholfen zum Takt der Blues-Rock getränkten Songs der letzten Jahre, zeigte, was er mit seinem kraftvollen Organ alles kann: In höchsten Tönen schreien, jodeln, scatten oder die Instrumente der Bandmitglieder imitieren. Farlowe, der als Gast von Kollegen wie den Rolling Stones geschätzt wird, hatte im Lindenpark keine Mühe, das Publikum zu überzeugen. Mit seinen Versionen von „Out of Time (Stones) und „All or nothing“ (Small Faces) ließ er die Besucher zufrieden nach Hause gehen.
Karsten Sawalski
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: