Kultur: Blut nicht nur in den Träumen
Thrillerautor Franck Thilliez liest in Potsdam
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Diese Einladung hat es in sich. „Zwölf Tage und zwölf Nächte sind zu durchqueren. Ein Abstieg in die Hölle. Gute Reise“, wünscht Franck Thilliez jedem Leser am Anfang seiner „Blutträume“. Zwei Dinge werden hier deutlich: Was sich auf den kommenden 500 Seiten dieses „Psychothrillers“ ereignet, ist nichts für schwache Nerven. Und da spricht ein Autor, der von seiner schriftstellerischen Arbeit überzeugt ist.
Sieben Bücher hat der französische Autor Franck Thilliez mittlerweile veröffentlicht. Vier davon sind bisher in deutscher Sprache im Ullstein Verlag erschienen. „Der rote Engel“, „Die Kammer der toten Kinder“, „Im Zeichen des Blutes“ und ganz aktuell „Blutschatten“, das Thilliez heute in Potsdam vorstellen wird.
Alle Bücher tragen im Titel die Klassifizierung „Thriller“ oder „Psychothriller“. Und wem schon nicht die reißerische Aufmachung deutlich macht, um was es hier geht, dem sollte ein kurzer Blick auf den Einführungstext auf der Buchrückseite genügen. „Mord“, „Gewalt“, „Alpträume“, „Blut“ und natürlich „Serienmörder“ sind die Schlagworte, die auf den Inhalt einstimmen und zeigen, welchem Genre sich Thilliez verschrieben hat: Dem Serienkiller-Roman. Ein kaum noch zu überblickendes Feld, auf dem sich zahlreiche Autoren, mal mehr, mal weniger originell, tummeln. Zu den populärsten Vertretern in diesem Genre zählen wohl Bret Easton Ellis, Thomas Harris und Stieg Larsson, zu den anspruchsvollsten die beiden Großmeister James Ellroy und David Peace. In Frankreich gilt Thilliez als einer der herausragendsten Vertreter. Er wurde mit mehreren Preisen geehrt, sein zweiter Thriller „Die Kammer der toten Kinder“ vor drei Jahren fürs Kino verfilmt.
Thilliez beherrscht die Thriller-Klaviatur mittlerweile sehr gut. „Blutträume“ ist ein Buch, das man über weite Strecken nicht aus den Händen legen will. Dann wieder gibt es Momente, in denen die geschilderten Verbrechen die eigene Vorstellungskraft sprengen. Thilliez erzählt die Geschichte vom Maskenbildner Stéphane Kismet, der in seinen Träumen Bruchstücke aus der Zukunft erlebt. Drei Frauen, darunter auch Kismets Ehefrau Sylvie, werden im Verlauf der zwölf Tage und zwölf Nächte grausam gefoltert und ermordet, ein kleines Mädchen stirbt in einem Steinbruch und der junge, ehrgeizige Polizist Victor Marchal erfährt sehr schnell während der Ermittlungen, dass er sich entscheiden muss. Entweder für eine Polizeiarbeit, die ihn zu einem seelischen und menschlichen Wrack macht oder für seine kleine Familie.
Mit wohldosiertem Tempo führt der 36-jährige Thilliez durch die immer komplexer werdende Handlung, peitscht die Spannung, webt die unterschiedlichen Handlungsstränge geschickt ineinander und führt den Leser in einen bizarren Randbereich menschlicher Lustbefriedigung, von dem mancher vielleicht gar nicht erst etwas hätte erfahren wollen. Es geht natürlich um die unendliche Tiefe menschlicher Abgründe, um Schmerz und Missbildungen und den fragwürdigen Reiz daran. Und es geht um die Frage nach dem Schicksal und ob man es in irgendeiner Form beeinflussen kann. Thilliez belässt es dabei nicht einfach nur bei der übernatürlichen Gabe von Stéphane Kismet, der in seinen Träumen die Zukunft sieht. Hier geht der Autor, der vor seiner Schriftstellerkarriere als Ingenieur für neue Technologien tätig war, auf physikalische Phänomene und Hypothesen wie Parallelwelten, Schrödingers Katze oder das Möbiusband ein und gibt dem Abstrusen dann doch etwas von Seriosität und den Hauch des Möglichen. Und auch wenn das Finale – die Klärung der Identität des Mörders und dessen Ende – arg hölzern und abrupt gerät, den versprochenen Abstieg in die Hölle hat man da längst erlebt. Dirk Becker
Franck Thilliez stellt heute um 20 Uhr „Blutträume“ im Literaturladen Wist, Dortustraße 17 vor. Der Übersetzer Oliver Ilan Schulz liest den deutschen Text. Das anschließende Gespräch moderiert Katarzyna Kaminska vom Brandenburgischen Literaturbüro. Der Eintritt kostet 6, ermäßigt 4 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 280 04 52
Dirk Becker
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