Kultur: Bodenhaltung
Rohrstahlexpress stellt sich ab morgen mit seinem Pilotprojekt vor
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Wie lässt sich am besten ein Stück mit dem Titel „Bodenhaltung“ bewerben? Natürlich mit einem Hühnerhof – dachten sich die beiden Frauen der neu gegründeten Theatergruppe Rohrstahlexpress und machten sich auf die Suche. Und schon wurde es schwierig, denn das Branchenverzeichnis leitete sie zu Legebatterien, in denen Hühner vom Boden nur träumen können. Schließlich wurden Alexandra Röhrer und Isabel Stahl fündig: in Schäpe bei Beelitz, wo man sich in der Pension „Landei“ sogar Hühner leasen kann. Zwischen dem gackernden Federvieh namens Ramona, Ibrahim oder Sed ließ sich trefflich Bodenhaltung finden. Und die brauchen die Zwei auch, um ihr Projekt zu stemmen. Schließlich sind sie für alles verantwortlich: Kostüme, Requisite, Technik, Maske – bis hin zur Werbung. Und gespielt muss schließlich auch noch werden.
Das passiert morgen das erste Mal vor Publikum. Und wenn beide daran denken, fühlen sie sich schon wie aufgeregte Hühner. Aber – da sind sich beide einig: „Jetzt ist es Zeit. Es muss vor die Leute.“ Schließlich werkeln sie seit Januar an dieser Uraufführung. In dem Stück von Melanie Peter geht es um die Mittdreißigerin Manu, die ein unscheinbares Leben in der hessischen Provinz lebt. Bis sie einen Anruf auf ihrer Mailbox vorfindet, der sie 18 Jahre zurückschleudert. Damals war sie 17 und musste Hals über Kopf Potsdam verlassen, da ihre Eltern eine Ausreisegenehmigung erhielten. Auch ihrer Jugendliebe Hannes musste sie adieu sagen. Und genau dieser Hannes meldet sich nun. Der Mann, den Manu inzwischen zum Traumbild, zur großen Liebe ihres Lebens, hochstilisiert hat. Jeden Tag der Trennung warf sie ein Steinchen oder eine Perle in ihre Erinnerungsdose: Bis zur morgigen Premiere werden es 6862 sein.
„Dieses Ein-Personen-Stück ist eine Reflexion auf Entwurzelung und vertane Chancen, eine teils schön gefärbte Positionsbestimmung mit Selbstironie“ – für Alexandra Röhrer zugleich viel Spielfutter, da sie auch in andere Rollen springen kann. „Bei aller Tiefe kommt es sehr komödiantisch und leicht daher, so eine Art Bridget Jones-Stück. Shakespeare und Schiller knöpfen wir uns später vor“, sagt sie lachend.
Kennengelernt haben sich die Frauen am Hans Otto Theater: Isabel Stahl assistierte Regisseuren, Alexandra Röhrer stand auf der Bühne, spielte das Dornröschen und Eva Braun ... Als sich das ihr gegebene Versprechen, vom Kinder- und Jugendtheater ins Schauspiel wechseln zu können, nicht erfüllte, kehrte sie dem HOT 2003 konsequent den Rücken. „Und das war gut so, auch wenn ich zwischendrin immer mal wieder dachte: ,O je, was hast du nur gemacht.“ Aber durch das selbstständige freie Arbeiten weiß ich inzwischen ganz genau, wie Theater funktioniert.“ Auch Isabel sagte der Sicherheit adé, um selbst einmal Regie führen zu können. Beider Wege kreuzten sich erneut bei freien Theaterprojekten, so als die Künstlerkolonie Schütte & Raibach den japanischen Kultautor Murakami auf die T-Werk-Bühne brachte.
Bei allen freien Gruppen merkten sie, dass immer ein relativ großer Mitarbeiterstamm zugange war. „Also sagten wir uns: Lass uns doch was wirklich Kleines machen. Vielleicht lässt sich damit ja etwas Geld verdienen.“ Als Erstes musste ein Ein-Personen-Stück her, „was für Frauen schon recht schwierig ist.“ Da erinnerte sich Isabel Stahl an eine Szene von Melanie Peter, die sie speziell für ein Theaterfest in der Schiffbauergasse geschrieben hatte, und die nun in der fertigen „Bodenhaltung“ mit verankert ist. Als sie das Stück sicher in der Tasche hatten, ging es ans Konzeptionelle. „Klar war, dass das Bühnenbild nur so groß sein darf, dass es neben uns beiden in meinen Citroen passt. Schließlich wollen wir auf Gastspielreise gehen.“ Neben Auftritten in der Berliner Brotfabrik fahren sie im Juli ins „Schwabenländle“: „In meine Heimat. Da bin ich natürlich besonders aufgeregt“, sagt Alexandra Röhrer. Es ist ihr erster Monolog, den sie auf die Bühne bringt. „Das ist schon prickelnd. Du hast kein Gegenüber, der dir einen Anschub gibt. In der Gruppe ist man geschützter.“ Und nach diesem Solo ihres Rohrstahlexpress-Pilotprojektes werden sie wohl auch wieder Beistand suchen, auch wenn dann nicht mehr alles in ihren „Theaterkarren“ passen sollte. „Dann muss vielleicht ein Bus her. Aber bevor wir uns darüber Gedanken machen, geht es erst einmal in den Urlaub.“
Und zuvor gilt es ab morgen, die Potsdamer zu erobern. Sechs Vorstellungen sind im al globe, der inzwischen Club Charlotte heißt, anberaumt. „Auch diese Vereinsauflösung tangierte uns plötzlich, so wie das ganze Drumherum immer wieder aufregend war. Ansonsten war es eine sehr intime Arbeit. Wir haben so fest an uns geglaubt, dass sich plötzlich doch immer wieder Türen öffneten.“ Und sei es die zu Huhn Ramona.
Premiere: 1. Juni, 20 Uhr. Weitere Aufführungen 2. und 3. Juni, 20 Uhr, al globe, Karten: 0331-2008859, 12/erm. 8 €.
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