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Kultur: Bösewichte und eine Räuberbraut
„Die drei Räuber“ im T-Werk als Erzähltheater mit Musik und Objekten
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Man glaubt ja gar nicht, wie viel Räubergeist es bis heute gibt. Hotzenplotz treibt sein Unwesen wilder als je, Schillers Bande hat längst die Politik für sich erobert, und in manchen Kneipen singt man noch immer gern halbtrunken „Im Wald da sind die Räuber“. Doch was tun sie dort, die Räuber im Wald? Sie sind nicht so edel wie einst in Kurt Hoffmanns Spessart-Filmen, wo sie eine junge Gräfin auf Händen tragen. Nein, im Liedtext heißt es ganz unverblümt, dass sie ein Mägdelein und andere „verführn“. Beste Gesellschaft für den Elsässer Autor und Zeichner Tomi Ungerer, der von sich behauptete, keiner habe die Kinderbuchtabus so zerschmettert wie er. In seinem Kinderbuch „Die drei Räuber“ von 1961 geht es genauso zu wie bei den Räubern im Wald: Tiffany verliert beide Eltern, sie soll bei der Tante jenseits vom Walde wohnen, darin die drei Unholde hausen. Tiffany aber will nicht. Wie Pippi Langstrumpf scheut sie die häusliche Ordnung, sie behauptet also, ihre Tante sei böse, „sie stinkt“. Trotzdem muss sie Säckl und Gepäckl schnüren. Natürlich wird sie im Walde von den Räubern erwischt, hier aber vorerst zu einer von ihnen gemacht. Später baut man mit den Erlösen aus der bandeneigenen Schatztruhe ein gemeinsames Haus, dann ein glanzvolles Schloss, wo die Bösewichte der Räuberbraut Tiffany ein Lager aus feinen Kissen bereiten.
Eine kindsgerechte Adaption dieses unterschwellig erotischen Stoffes bietet das T-Werk nun als Erzähltheater mit Musik und Objekten an. Regisseur Jens-Uwe Sprengel verzichtet auf besagte Hintergründe, schließlich ist die dreiviertelstündige Inszenierung auf einer hochbehangenen Off-Bühne für Kinder ab 4 gedacht. „Habt Ihr Angst vor Räubern?“, fragte Christian-Otto Hille die vielen Kinder bei der Premiere am Sonntag, nachdem er ein Klavier mit einem Gebirge aus Koffern darauf kraftreich auf die Bühne geschoben hatte. Natürlich nicht, wie sollten sie auch, die Kleinen. Er setzte sich an die Klaviatur und sang ein selbstgeschriebenes Lied von den drei Räubern, die tierisch Leute erschrecken und manchmal auch einen abmurksen. Nun erschien die Figurenspielerin Kristina Feix als Räuber Zwo mit einem kleinroten Koffer auf die Bühne; der dritte kam später, er bestand nur aus einem Pelzmantel mit Hut, ohne was drin. Ein Geplänkel deutete an, dass Feix wohl ein bisschen Tiffany spielen sollte, aber nicht sehr. Denn die Hauptperson dieser Inszenierung befand sich noch im Köfferchen, es war eine Stoffpuppe, nicht größer als eine Hand hoch ist. Nun baute man aus den Koffern mal Wald, mal Wohnhaus und Schloss, warf sich die arme Puppe Tiffany gegenseitig zu, bis es ihr schwindeln musste, sang viele Lieder, von Christian-Otto Hille erdacht, öffnete Kisten mit Krams und mit Süßem, erzählte vor allem verbal, was eine Bühne wie diese genauso gut hätte zeigen können.
Dank einer zum Teil clownesk angelegten Spielweise hatten die Kinder zwar so einigen Grund zum Lachen, aber warum wurde dies nicht als Grundgestus durchgehalten? Auch die Vereinbarung über die Darstellung der Figuren blieb ziemlich verwaschen, mal spielten die beiden nur Räuber, mal waren sie welche. Wobei sich, auch eine Form von Treue, der Gestus aber nicht unbedingt änderte. Die Brüche im Spiel waren nicht deutlich genug. Die Kinder werden damit wohl kaum Probleme bekommen, sie ergänzen ja ohnehin spielerisch leicht im Kopf, was der Außenseite fehlt. So gesehen geben diese drei Räuber einen kräftigen Impuls in Sachen Imagination, also Einbildungskraft. Letztlich aber fordert die Bühne selber ihr Recht, und was irgendwo irgendwie nicht stimmt, das zeigt sie mitleidlos an.
Kurz und knapp: Die Regie hätte sich ruhig etwas mehr einfallen lassen können im räuberischen Umgang miteinander, beim sichtbaren Verwandeln, beim theatralisch gezeigten Spiel. Man vermisste die tragende, die zündende Idee. Ungerers Vorgabe von der Räuberbraut wurde ja Gott sei Dank ausgeschlagen. Wieder einmal wurde deutlich, dass Theater zuerst aus inneren Vorgängen besteht, nicht aus äußeren Handlungen. Insofern war Klein-Tiffany als Püppelchen die falscheste Wahl. Und sage keiner, Kinder könnten so etwas noch nicht verstehen. Sie verstehen alles. Nur sollten es sich die Erwachsenen nicht zu leicht machen, das wäre dann nicht zu verstehen. Also eine leicht reparaturbedürftige Inszenierung, welche die pelzigen Räuber im Wald lassen sollte. Ein Werk, das sein Zentrum noch sucht.
Wieder am Samstag, dem 19. April, 16 Uhr im T-Werk in der Schiffbauergasse. Weitere Termine unter www.t-werk.de
Gerold Paul
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