Kultur: Brandenburg huckepack
Forschungen zumKalten Krieg stark berlinlastig
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Forschungen zumKalten Krieg stark berlinlastig Die Jahre des Kalten Krieges, für viele Brandenburger mit Verfolgung und Drangsalierung verbunden, waren auch eine ungemein ereignisreiche, spannende und bizarre Zeit. Das verdeutlichte die Vorstellung einzelner Forschungsprojekte auf dem Workshop des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam und der Berliner Historischen Kommission zu diesem Thema. Heiner Stahl (ZZF) gab an einem Vergleich der Filme „Die Halbstarken“ (West/1956) und „Berlin Ecke Schönhauser“ (Ost/1957) einen Einblick in die Rock''nRoll-Zeit und die „Selbstamerikanisierung“ der Jugend. Die SED-Oberen standen dieser aus den USA hereinbrechenden Welle, mit der die junge Generation weitab von der staatlichen Jugendorganisation FDJ eine neue Identität suchte, zunächst hilflos gegenüber, versuchten dann mit DDR-eigener Rockmusik gegenzusteuern. Aus dem von 1952 bis 1955 anhaltenden „Berliner Opernkrieg“ ging die östliche Seite, wie Dr. Michael Lemke (ZZF) in einem humorvollen Beitrag darstellte, dagegen als Punktsieger hervor. Mit Hilfe hoher Gagen gewann sie immer wieder in Westberlin engagierte, international bekannte Sänger und Musiker für Gastspiele u.a. an der Staatsoper. Kultursenator Tiburtius belegte die Künstler daraufhin mit einem Aufrittsverbot für staatliche und öffentliche Kultureinrichtungen in Ostberlin und auch für Stätten, an denen „kommunistische Symbole oder Bilder“ zu sehen waren. Die Uraufführung von zwei Stücken des in Ostberlin lehrenden Komponisten Rudolf Wagner-Régeny wurde in Westberlin verboten, weil selbst Konzertmusik „kommunistische Tendenzen“ aufweisen könne. Frank Roggenbusch (Stiftung Aufarbeitung) wandte sich den „Grenzgängern“ zu, die im Osten lebten und in Westberlin arbeiteten. Die SED hatte sie von Anfang an diskriminiert, aber zunächst zugelassen. Später wurden sie von Sozialleistungen ausgegrenzt und nach dem Mauerbau 1961 massiv verfolgt. Auch Potsdamer wurden in das berüchtigte Straflager der Ziegelei Mildenberg eingewiesen. Christoph Winkler (Berlin) wertete das Wirken der westlichen Militärverbindungsmissionen, die eine intensive militärische Aufklärung in Ostdeutschland betrieben. Da dadurch die Westmächte stets aktuell über sowjetische Militäraktionen informiert waren und keinen Überraschungsangriff befürchten mussten, wirkten die Missionen friedensbewahrend, erklärte Winkler. Obwohl es auf dem Workshop um den Kalten Krieg in der Region Berlin-Brandenburg ging, erwähnte er aber nicht, dass die Missionen in Potsdam saßen und sich hier auch ihre Überwachung durch die Staatssicherheit konzentrierte. Diese Chance zur Regionalisierung seines Beitrags vergab jedoch nicht nur Winkler. Verlauf und Auswirkungen des Kalten Krieges im vorwiegend ländlich geprägten Brandenburg sind weit weniger erforscht als in Berlin als dem Brennpunkt der Auseinandersetzung. Hier tun sich jungen Historikern spannende Felder auf. Dennoch war der Shop reichlich berlinlastig. Prof. Dr. Wolfgang Ribbe (Historische Kommission), der gemeinsam mit Dr. Michael Lemke die Veranstaltung leitete, beklagte die Konzentration der regionalgeschichtlichen Forschung auf Berlin. Sie nehme die brandenburgische Spezifik allenfalls huckepack. Es klang nach Selbstkritik. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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