Kultur: Brandenburgs Sklaven
Mathias Ullmanns historischer Roman „Ottos Berg“
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Wenn es sich in Brandenburger Landen auch schon herumgesprochen hat, dass der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620-1688) nicht nur ein bedeutender Herrscher nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges gewesen war, der zur Prospektivität und Vergrößerung seines Landes beitrug, so ist doch weit weniger über seine überseeischen Pläne und Abenteuer bekannt. Diese gingen vor allem in Richtung westafrikanische Küste, denn dort wollte er sich mit der kleinen Handelskolonie Großfriedrichsburg an dem florierenden Geschäft mit den Menschen beteiligen. Denn am transatlantischen Sklavenhandel verdienten fast alle europäischen Herrscherhäuser. Fernsehdokumentationen, Sachbücher und wissenschaftliche Studien haben in den vergangenen Jahren über diese Kapitel regionaler Geschichte informiert. Doch belletristisch wurde das Thema lange Zeit vernachlässigt.
Mit „Ottos Berg“ liegt nun ein solches Buch von Mathias Ullmann vor, der mit der Thematik bereits als Student in Leipzig, damals noch im akademischen Interesse. Ullmann nimmt in seinem Roman weder die Position der Opfer, versklavter Menschen aus dem Inneren Afrikas ein, noch die der brandenburgischen Sklavenhändler. Vielmehr beschreibt er an den Handlungen von Otto Friedrich von Groeben, dem Gründer von Großfriedrichsburg, des niederländischen Kommandanten und brandenburgischen Konkurrenten Willem Bosman sowie des afrikanischen Häuptlings und Sklavenjagd-Profiteur Jan Conny das System der Sklaverei aus der Perspektive der europäischen und afrikanischen Zwischenhändler. Dabei moralisiert er nicht, indem er die Sklaven als holzschnittartig gut und die Profiteure der Sklaverei als plakativ schlecht schildert, sondern er beschreibt die Ereignisse ohne jede Rücksicht auf die persönlichen Überzeugungen der Handelnden. Dadurch werden vielen Menschen in diesem Roman scheinbar sympathisch, denen keine Sympathie gelten „sollte“, wobei „Ottos Berg“ auch keinen Moment darüber hinwegtäuscht, welchem System sie dienen und vor welchem Hintergrund damit diese „Sympathie“ steht.
So gelingt es Mathias Ullmann die Sklaverei weder zu romantisieren noch deren Vertreter zu verteufeln. Er erzählt eine Geschichte, wie sie die Akteure erlebt haben dürften: als einen Zusammenhang von vorgegebenen Notwendigkeiten, in dem sie handeln müssen. Die grauenhaften Folgen der Sklaverei für den Kontinent sind immer präsent, aber auch die Konsequenzen für die Psyche und die Moral der am Sklavenhandel Beteiligten werden offenbar. Und immer wieder wird von kleinen und großen Widerstandsaktionen und -handlungen erzählt, die oftmals unerwartet aufflammen und zumindest eine historische Alternative anbieten.
Der Autor fasst dabei etliche heiße Eisen an. Die Rolle der schwarzen Frauen als Konkubinen der Kolonialherren, die Beteiligung von Arabern an der Versklavung afrikanischer Völker und die Stellung der Afrikaner vornehmlich aus der Küstenregion im System des Menschenhandels. Dabei provoziert der Roman nicht scheinheilig radikal neue Sichtweisen, sondern macht den Zusammenhang der vielen Elemente dieser Epoche für den Leser anschaulich. Dabei ist Mathias Ullmann mit „Ottos Berg“ gelungen ein wenig bekanntes, kompliziertes, häufig kontrovers diskutiertes geschichtliches Thema in einen spannenden Roman zu fassen. Ulrich van der Heyden
Mathias Ullmann: Ottos Berg. Roman, VAT Verlag, Mainz am Rhein 2010, 282 S., 14,90 Euro
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