
© M. Thomas
Kultur: Brasilianische Rhythmen gegen deutschen Regen
Klassik auf dem Weberplatz: Europadebüt von Eliana Printes mit dem Collegium Musicum
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Babelsberg in Klein Rio de Janeiro zu verwandeln war Samstagnacht schon angesichts eher sibirischer Temperaturen eine Herausforderung. Aber die Konzerte der Reihe Klassik am Weberplatz entwickeln erfahrungsgemäß eine Eigendynamik, noch dazu, wenn man mit Solisten auftrumpfen kann, die das südamerikanische Flair im Flieger mitgebracht haben. So wurde es doch noch etwas mit der Brasilianischen Nacht, auch wenn es zeitweise gefährlich tröpfelte und die Open-Air-Veranstaltung mit etwa 2000 Besuchern „haarscharf an einer Katastrophe vorbei segelte“, wie es Orchesterleiter Knut Andreas ausdrückte. Für die siebzig Musiker des „Collegium Musicum“, am Samstag teilweise unter der Leitung des brasilianischen Gastdirigenten Leonardo Cunha, die bei niedrigen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit spielten, ein anstrengender Wettlauf gegen die Zeit. Solistin Eliana Printes, die zu Hause in Brasilien große Konzerthallen füllt und regelmäßig neue CDs produziert, sang im Mäntelchen. Dafür ließ ihre Stimme die Temperaturen zumindest gefühlt ansteigen.
Knut Andreas ließ das Crossover von sinfonischer Klassik und Música Popular Brasileira langsam angehen. Mit eher klassischen Kompositionen wie von Heitor Villa-Lobos zum Einstieg in die neue Welt fremder Rhythmen begann der Abend. Es war noch hell, Kinderlachen und Gläserklirren begleiteten die fröhliche Kakophonie rund um die Friedrichskirche. Picknickdecken wurden ausgebreitet, auf den Sitzbänken, am Nachmittag aufgestellt von Helfern des Babelsberg 03 e.V., saß man dicht an dicht. Die Wolkendecke hielt. Artig bedankten sich vorab Lokalpolitiker bei Sponsoren und ehrenamtlichen Helfern wie der Stadt und dem Babelsberger Stadtkontor und vor allem den unentgeltlich spielenden Künstlern. Die Veranstaltung zu finanzieren sei tatsächlich ein Kraftakt und hänge in hohem Maße von der Spendenbereitschaft der Besucher ab, sagt auch Orchesterleiter Andreas. In diesem Jahr seien die Klingelbeutel allerdings gut gefüllt gewesen, freute er sich, trotzdem bleibe vorerst ein Minus in der Vereinskasse. „Sehr ungern würden wir in Zukunft Eintritt nehmen“, sagt der Chef, der für 2012 schon neue Ideen im Kopf hat. Es soll unbedingt weitergehen. Mit dem Südamerika-Thema hat Knut Andreas in diesem Jahr wieder einmal bewiesen, dass er ein gutes Gespür dafür hat, was die Leute an einem Sommerabend hören wollen. „Lassen Sie uns doch etwas von der Lockerheit der Brasilianer mitnehmen“, hatte auch Kulturdezernentin Elona Müller-Preinesberger vorgeschlagen. Diese Lockerheit stellte sich erst mit vorgerückter Stunde ein. Zuvor stand der konzertante Charakter im Vordergrund, erfuhr das Publikum Wissenswertes über die Herkunft der Songs und manch außergewöhnliches Instrument. So hatte Knut Andreas, der im April Eliana Printes in ihrer Heimat Rio de Janeiro besucht hatte, eine Zabumba mitgebracht, eine prächtige Trommel, die vor dem Bauch getragen und von beiden Seiten gleichzeitig bespielt wird. Außerdem stand mit Solist Ralf Benschu das Sopransaxophon bei einigen Songs im Mittelpunkt, wie bei einem Stück aus dem Requiem von Knut Andreas, das dieser vor zwei Jahren nach einem Song von Printes geschrieben hatte. Elianas zurückhaltende, samtweiche, aufregende Stimme, getragen von einem Orchester, das vor Begeisterung für dieses neue Genre freiwillig Überstunden während der Proben gemacht hatte, ließ Füße wippen und mutige Tänzer aufstehen. Die Übersetzung der portugiesischen Texte sorgte auch für Heiterkeit: erotische Anspielungen über die Schönheit des Rückens der liebsten Frau waren noch harmlos. Interessant die Herkunft des „Girl from Ipanema“, das, gleichwohl tausendmal gehört, Printes wunderbar zu singen wusste: Die Mädchen des gleichnamigen Schönheitswettbewerbs seien immer an dem Schreiber des Songs vorbeiflaniert, erfuhr man. Steffi Pyanoe
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