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Kultur: Brauner Gast in der Villa Liegnitz

Prinz August Wilhelm lud Hitler nach Sanssouci ein / Die Potsdamer Wohnsitze der Kaisersöhne

Am 21. März 1933 hatte August Wilhelm von Preußen seine große Stunde. Nach dem „Tag von Potsdam“, an dem sich die Nationalsozialisten demagogisch auf das alte Preußen beriefen, kamen Hitler und sein Gefolge zum Essen in die von dem Prinzen im Park Sanssouci bewohnte Villa Liegnitz. „Auwi“, wie ihn die Potsdamer spöttisch nannten, war als einziger der Söhne Kaiser Wilhelms II. 1930 in die NSDAP eingetreten. Diese Episode schilderte Jörg Kirstein; Kurator der Ausstellung „Aus Allerhöchste Schatulle - Kaiserliche Geschenke“, in einem Begleitvortrag über die Wohnsitze der Kaisersöhne in Potsdam zwischen 1888 und 1945. Angesichts des Publikumsandrangs hatte das Helmholtz-Gymnasium dafür seine Aula zur Verfügung gestellt.

Als Kinder nutzten jeweils zwei Prinzen Zwei-Raum-Wohnungen im 2. Obergeschoss des von ihren Eltern bewohnten Neuen Palais. Daran schlossen sich die Wohnungen der Adjutanten und Lehrer an, dazu Speise- und Gesellschaftsräume, ein Turnsaal, Wirtschafts- und Aufenthaltsräume für das Personal. Die einzige Kaisertochter Viktoria Luise lebte bis zu ihrer Eheschließung 1913 eine Etage tiefer im Nordflügel. Nach dem Abitur zogen einige Prinzen vorübergehend in das Kabinetthaus am Neuen Markt, so Kronprinz Wilhelm während seiner militärischen Ausbildung im Ersten Garde-Regiment zu Fuß.

Später erhielten die Kaisersöhne eigene Residenzen, wobei die Suche nach Gebäuden und die Finanzierung durchaus ein Problem für die Eltern darstellten. Der Kronprinz wohnte mit seiner Familie im Marmorpalais und im Stadtschloss, 1917 wurde für ihn dann Cecilienhof fertiggestellt. Sein Bruder Eitel Friedrich residierte in der Villa Ingenheim an der Zeppelinstraße, Prinz Oskar in der Villa Quandt am Pfingstberg. Ebenfalls im Stadtschloss erhielt der jüngste Kaisersohn, Prinz Joachim, sein Domizil. Allein Prinz Adalbert lebt nicht in Potsdam, sondern in Kiel.

Jörg Kirstein, ein exzellenter Kenner der Kaiserzeit, las aus Zeitzeugenberichten und zeigte Innenansichten der Residenzen. Die Ausstattung unterschied sich kaum von der großbürgerlicher Villen, allenfalls durch Gemälde und Möbel, die aus Erbschaften stammten. Auf großem Fuß lebte in der Villa Ingenheim Eitel Friedrich mit seiner aus dem Oldenburger Fürstengeschlecht stammenden Gattin Sophie Charlotte. 50 Bedienstete betreuten das kinderlose Ehepaar, allein 15 den Marstall mit neun edlen Pferden und zwei noblen Automobilen.

Aber glücklich, sagte Jörg Kirstein, wurden die Kaisersöhne in ihren Residenzen nicht. Sophie Charlotte ließ sich 1926 von Eitel Friedrich scheiden und kehrte nach Oldenburg zurück. Auch August Wilhelm wurde von seiner Gattin verlassen. Zudem stellten die Nazis den blaublütigen Parteigenossen kalt, als sie nach Festigung ihrer Macht seine Dienste nicht mehr benötigten. Nach dem Krieg wurde er von den Alliierten bis 1948 interniert und starb ein Jahr später. Tragisch verlief das Schicksal von Prinz Joachim. Er musste nach dem Ende der Monarchie das Stadtschloss verlassen, wo als letzter Hohenzollernprinz sein einziger Sohn Franz Joseph geboren worden war. In der Villa Liegnitz fand er Zuflucht. Eheprobleme führten dazu, dass er sich 1920 das Leben nahm.

Wohl aus Zeitgründen blieb das weitere Schicksal der Prinzenwohnsitze unerwähnt. Die Villa Quandt wurde in das „Verbotene Städtchen“ des sowjetischen Geheimdienstes einbezogen. Heute ist sie Sitz des Fontane-Archivs. In der Villa Ingenheim wurde 1945 ein Untersuchungsgefängnis des russischen Geheimdienstes eingerichtet. Die DDR nutzte sie als Militärhistorisches Institut. Heute befindet sich dort das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr. Für die bis zur Wende von der Pädagogischen Hochschule genutzte Villa Liegnitz hat die Schlösserstiftung erste Sanierungsarbeiten begonnen. Mit Franz Friedrich Prinz von Preußen lebt seit den 90er Jahren wieder ein direkter Nachfahre des Kaisers in Potsdam. Der Enkel Prinz Joachims hat eine Wohnung in der Jägervorstadt. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein D

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