Kultur: Bremer Blau aus Potsdam
59. Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte
Stand:
Von Potsdam aus gingen Anfang des 19. Jahrhunderts Schwedisch Grün, Provincial Grün und Bremer Blau bis nach Hamburg, Lübeck und Genf. Erfunden oder doch weiterentwickelt wurden diese Farbtöne von Hertz Eschwege, der dafür 1800 in der Residenzstadt eine Manufaktur eingerichtet hatte.
Dem Schicksal dieses jüdischen Unternehmers geht Tobias Schenk in einem Beitrag für den 59. Band des Jahrbuchs für brandenburgische Landesgeschichte nach. Der Autor stellt dar, wie der hochbegabte Eschwege trotz einer erfolgreichen Lehre und medizinischer Studien sein Ziel, Apotheker zu werden, nicht erreichte. Die vielgerühmte preußische Toleranz schlug sich im „Judenrecht“ von 1750 kaum nieder. Hertz erhielt kein Privileg als „ordentlicher“ Schutzjude – konnte es aber auf Lebenszeit erwerben, wenn er eine neue Fabrik anlegte. Dafür erhielt er die Genehmigung, weil seine Farben „denen besten in den berühmtesten Fabriquen des Auslandes verfertigten in nichts“ nachstünden. Dies hatte ihm die Berliner Akademie der Künste attestiert. 1806 erwarb Eschwege für seine Fabrik ein Anwesen in der Hoditzstraße (heute Wilhelm-Staab-Straße). Die preußischen Reformen ermöglichten ihm aber, 1812 die Staatsbürgerschaft zu erlangen.
Das von der 1907 gegründeten Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg herausgegebene Jahrbuch weist diesmal neben der gewohnten Themenviefalt mehr als 40 Buchbesprechungen auf. Sie öffnen dem Intereressenten einen Weg durch die schwer überschaubare Fülle regionalgeschichtlicher Veröffentlichugen. Dabei ist Potsdam gut vertreten, u. a. mit Titeln über den Bankier und Villenbesitzer Herbert M. Gutmann, Friedrich Wilhelms II. Mätresse Wilhelmine von Lichtenau, über König Friedrich Wilhelm IV. als Architekt, zur Verlagsgeschichte und unter die irreführende Überschrift „Rote Fahnen über Potsdam“ gestellte Tagebücher und Erinnerungen aus den Jahren 1933 bis 1989.
Eingeleitet wird die Bücherschau von einer Rezension Klaus Arlts über die von Kurt Baller und Marlies Reinholz unter Nutzung „urheberrechtlicher Freiräume“ veröffentlichte Auswahl stadtgeschichtlicher Beiträge von Hans Kania. Arlt nennt die Hauptschwäche der dreibändigen Ausgabe: Die Herausgeber haben in den Beiträgen des Stadthistorikers die Bezüge auf die Zeit ihrer ersten Veröffentlichung (zwischen 1904 und 1942) als kaum mehr verständlich gestrichen, sie aber nicht durch dem modernsten Stand der Forschung entsprechende Kommentare ersetzt. Eine solche Publikation müsse aber über den unkritischen Nachdruck hinausgehen, fordert Arlt. Der weniger kundige Leser könne sonst in dem Glauben bestärkt werden, unverrückbar feststehende Wahrheiten in der Hand zu haben. So werde Kanias Darstellung der Reise Mozarts nach Potsdam heute von der Forschung in Frage gestellt. E. Hohenstein
Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg e.V., 19,50 Euro
E. HohensteinD
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: