Kultur: Brillant, aber ohne Spannung
Europa Philharmonie gastierte im fast leeren Nikolaisaal
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Europa Philharmonie gastierte im fast leeren Nikolaisaal An Mozart und Beethoven kann es nicht liegen. Die sind publikumsanziehende Zugpferde, wann immer sie ins (Noten-)Geschirr genommen werden. Woran liegt es dann, dass die hierzulande kaum bekannte Europa Philharmonie einen desaströs leeren Nikolaisaal für ihren Auftritt vorfindet, wie man es noch nie erlebt hat? Das Häuflein von zweimal Sieben Aufrechten müht sich redlich, den Musikern mit betont herzlichem Beifall wenigstens ein wenig Aufmunterung zu schenken. So fühlt man sich fast wie ein Krösus, der sich eine Privataufführung leistet. An dem für die Musiker wahrlich niederschmetternden Eindruck dürfte das Management des in Schloss Hundisburg bei Magdeburg ansässigen Ensembles zu großen Teilen selbst schuld gewesen sein. Beschäftigt mit der Organisierung einer (bereits absolvierten) Tournee durch nahöstliche Länder und einer (bevorstehenden) Reise durch Italien, bleibt fürs überlegte Planen von Konzerten in alten wie neuen Bundesländern kaum genügend Zeit. Für Potsdam betreibt man keine intensive Werbung, wählt mit dem Dienstag einen für Konzerte denkbar ungünstigen Termin ... Da muss man sich über ausbleibende Publikumsresonanz nicht wundern. Was eigentlich schade ist, denn mit der vergnüglichen „Telemannia“-Hommage von Hans Werner Henze erklingt zu Beginn ein nicht eben häufig gespieltes Werk eines in hiesigen Regionen nicht eben häufig aufgeführten Komponisten, dessen moderne Tonsprache sich in die Ohren zu schmeicheln versteht. In dem barockisierenden, suitenähnlichen Stück sind vielerlei Stimmungen und Emotionen gleich einem filigran geknüpften Netzwerk eingefangen, die von den jungen EU-Musikern unter der präzisen Zeichengebung von Reinhard Seehafer voller Lebendigkeit musiziert werden. Was für großes Orchester geschrieben ist, erfährt eine aparte kammermusikalische Auflichtung. Dabei bevorzugt man einen klaren Klang. Die solistischen Zutaten von Trompete (festlich), Violine (glanzvoll, zart), Kontrabass (melancholisch) oder Horn (elegisch, sanftmütig) setzen viele Glanzlichter. Schlanke Klangkost wird auch Wolfgang Amadeus Mozarts Klavierkonzert B-Dur KV 595 verordnet. Hell getönt, luftig und leicht begleitet das Orchester den Pianisten Maurizio Moretti. Sein klarer Anschlag bevorzugt eine gewisse Härte, wodurch sich der Eindruck vordergründiger Brillanz einstellt. Das unbeschwerte, flinkfingrige und nicht immer geschmeidige Spiel von Moretti nimmt zunächst für ihn ein, wirkt jedoch auf Dauer nichtssagend. Der Ausdruck bleibt unterbelichtet und dadurch unbedeutend, Gefühl und Wärme auf der Strecke. Kein Wunder, wenn die unsichtbar vibrierenden Spannungsfäden zum Publikum schlichtweg fehlen. Dass der Musiker Wollen oftmals größer ist als deren Können, offenbart sich auch in Beethovens 3. Sinfonie Es-Dur op. 55 „Eroica“. Energisch, mit geradezu draufgängerischer Unternehmungslust gehen sie zu Werke, klangliche Virtuosität auf ihre Fahnen schreibend. Präzise Tuttischläge können sie. Na, und dann -? Dann geht''s leider nicht in die Tiefe. Und der Wechsel vom Mezzoforte ins Laute ist noch lange kein Ausdruck von Konfliktringen – oder doch? Wo gestalterischer langer Atem und innere Spannung fehlen, können sich kaum seelische Abgründe auftun, die es in ständiger Auseinandersetzung zu überwinden gilt. So verbleibt des Helden Porträt in der Manier effektvoller Schwarz-Weiß-Malerei. Spannungsarm und glanzlos, dafür sehr laut zieht auch der Trauermarsch (Adagio assai) vorüber. Nicht nur hier gibt es viel Notenbuchstabiererei zu hören. Geradezu rührend, wie inbrünstig der finale Beifall gespendet wird. Peter Buske
Peter Buske
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