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Farbverführer. Kunitzbergers Bilder verändern sich mit jedem Lichteinfall.

© Katalog

Kultur: Brodelnde Stille

Hanns Kunitzbergers „Abbilder ohne Ähnlichkeit“ im Kunsthaus

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Diese Wucht lässt zurücktreten. Die monumentalen Bilder von Hanns Kunitzberger sind wie ein Sog und doch in ihrer Kraft so überbordend, dass sie einen überwältigt taumeln lassen. In ihrer Stille scheinen sich lautlose Explosionen zusammenzubrauen. Was aber macht diese von einem Nebelschleier überzogenen Farbverführer, die nichts Gegenständliches aufweisen, nichts, woran man sich festhalten könnte, so magisch? Die Bilder sind wie eine Fata Morgana, wie ein Meeresspiegel, in dem man versinkt: von unergründlicher Tiefe und aufwühlender Suggestion.

Doch Vorsicht mit Vergleichen. „Das Beschreiben von Bildern ist eine Prognose. Ein Bild lässt sich nicht erklären, denn ein Bild muss immer durch ein weiteres Bild erklärt werden.“ Diese Erkenntnis stammt von dem Maler selbst, der derzeit seine „Abbilder ohne Ähnlichkeit“ auf den hohen weißen Wänden des Kunsthauses zeigt. Wer aber ist Hanns Kunitzberger? Selbst Klaus Albrecht Schröder, Direktor der Albertina Wien, fragte 2006 in seiner Rede zur Eröffnung einer Ausstellung von Kunitzberger in seinem Hause, wie es sein könne, dass ihm solche Bilder, von dieser Kraft und singulären Stille, bislang entgingen. Kunitzberger verwies daraufhin auf seine eigene Zurückhaltung.

Die setzte sicher erst ein, als er in sein Malerleben eintrat und auf sich selbst zurückgeworfen wurde. In jungen Jahren fühlte sich der 1955 in Salzburg geborene Künstler dem Theater hingezogen. Er schuf Bühnenbilder und Kostüme, war Teil eines gemeinsamen künstlerischen Spiels. Schließlich führte er selbst Regie, bestimmte den Verlauf des theatralen Flusses, der darstellenden Bilder. 1980 trat die Malerei und Plastik in sein Leben. Musik und Klang gesellten sich dazu. Bis der Künstler in Niederösterreich sein Refugium fand und ganz für sich mit seinen Farben und Leinwänden in den Dialog der Jahreszeiten trat.

Die Zeit ist das einzige, was der Maler dem Betrachter an die Hand gibt. „2. Hälfte 2010 – 1. Hälfte 2011“ steht neben dem größten, dreiteiligen Bild geschrieben, das in der Farbe Grau mäandert. Doch so ganz lässt sich auch das nicht festlegen. Denn plötzlich wabert ein Blau dazwischen. Nichts lässt sich sicher fassen, alles entgleitet mit sanfter Vehemenz der Gewissheit. Dieses gemalte Leben in Jahresscheiben verändert sich amöbenhaft. Jeder Lichtstrahl bringt eine neue Sicht, variiert in seinen Schatten- und Farbspielen. Man traut seinen eigenen Augen nicht. Bei diesen Bildern, die nicht auf den Gegenstand zielen, regieren die Zwischentöne.

Und die sind wie Meer und Wolken zugleich: ein dahinziehendes Reich geheimer Botschaften. Nichts wird zugekleistert. Die Struktur des groben Leinens ist unter dem Farbauftrag deutlich auszumachen. Man meint sogar, unter den Schichten immer weitere Schichten zu erkennen, die schlierenartig aus dem Nebel steigen und wieder verschwinden. Sie ziehen hinein, stoßen ab, treten aus der Wand heraus, glühend und eisig zugleich. Die braunschwarze „2. Hälfte 2011 später“ wirkt wie ein Stück Metall, hebt sich vom lichten Blau daneben erdenschwer ab. Überhaupt ist es Kunitzbergers Blau, das besonders pulsiert und brodelt. Die „1. Hälfte 2011 früher“ singt wie eine Sirene und verführt den Betrachter mit mystisch unheilschwangerer Stille.

Diese Bilder haben keine Rahmen. Sie lassen sich nicht eingrenzen. Mit jedem Lichteinfall geben sie Neues von sich preis, ohne sich auch nur im Ansatz zu verraten.

„Hanns Kunitzberger – Abbild ohne Ähnlichkeit“, zu sehen bis 6. Mai, Mittwoch 11 bis 18 Uhr, Donnerstag und Freitag 15 bis 18 Uhr, Samstag und Sonntag 12 bis 17 Uhr, im Kunsthaus, Ulanenweg 9

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