Kultur: Brücken und Türme aus Musik
Neues Kinder-Musikprojekt der Kammerakademie Potsdam
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Harry Potter stand zwar Pate beim Titel „Die Kammer der Töne“, aber im neuen Konzert-Workshop für Kinder der Kammerakademie Potsdam im Nikolaisaal gibt es keine Zaubereien, nicht einmal bei der wirklich zauberhaften Musik im Adagio von Mozarts Klarinettenkonzert. Denn die Lehrstunde zeigte, dass selbst in der Musik alles mit irdischen und ziemlich rationalen Mitteln gekocht wird.
Nach den erfolgreichen Programmen über die Entstehung von Klängen und Rhythmus geht die Kammerakademie diesmal den musikalischen Grundformen von Melodie und Akkord nach. Noch mehr als zuvor werden die Kinder aktiv ins Geschehen mit einbezogen (Konzept: Ade Frey und Peter Rainer). Zunächst wird eine Melodie aus Tönen mit menschlichen Tondarstellern gebaut. Zur Gaudi der kleinen Zuhörer sind erstmal die Lehrer gefragt, die sich mit einem Pappschild um den Hals vorn aufstellen müssen. Doch ein paar Schüler gehören selbstverständlich dazu, damit die Melodie rund wird. Auf die Frage: „Wer ordnet die Noten“, kommt die durchaus richtige Antwort: „der Komponist“.
Doch Peter Rainer führt die Kinder in weitaus abstraktere Dimensionen, die er sehr anschaulich darstellt. Er selbst spielt die Zeit und jeder merkt dabei, dass die Zeit das eigentliche Medium der Musik ist. Je nachdem, ob er geht, joggt oder rennt, klingen die Töne langsam oder schnell. Daraus entsteht sogar eine Melodie, die zumindest Klarinettist Matthias Simm kennt, denn sie stammt aus dem Klarinettenkonzert von Mozart. Mit geschlossenen Augen, höchst konzentriert malen die Kinder dazu und es entstehen Linien, Wege, Bögen und Brücken.
Doch die Musik verläuft nicht nur horizontal, sondern auch in der Höhe. Man kann auch Türme mit ihr bauen, die in der Sprache der Musik Akkorde heißen. Allerdings darf sich nicht jede gleichzeitig gespielte Tonfolge so nennen, wie am Beispiel aus einem kurzen Quintett für Horn und Flöte von Federico Fiorillo demonstriert wird.
Mit diesem und einem rein rhythmischen „coolen“ Stück von Steve Reich geht es in die kreative Pause. Jetzt stellt sich jede Klasse mit einem der Musiker um einen Tisch im oberen Foyer. Mit viel Einfallsreichtum baut jedes Kind etwas aus Play-Mais, einem fabelhaften Material, das wie Styropor aussieht, aber ökologisch unbedenklich und sogar essbar ist. Wenn nach der Pause die Musiker zu einem dieser kindlichen Phantasiegebilde ein kurzes Stück improvisieren, ist die Begeisterung groß. Mit seiner humorvollen, anschaulichen und vernunftbetonten Moderation, gelingt es Peter Rainer immer wieder, einen direkten Draht zu den Kindern herzustellen und Unruhen zu beschwichtigen. Dass aus musikalischen Treppen und Türmen großartige Musik werden kann, hat kaum einer so gut vorgemacht wie Johann Sebastian Bach. Zum Schluss erklingt seine berühmte Toccata und Fuge in d-Moll in einer Bearbeitung von Jan Böttcher für acht Musiker. Nach diesem Workshop mit der Kammerakademie können Kinder und Lehrer viele Anregungen mit nach Hause nehmen. Aber die Frage bleibt offen, ob es nicht manchmal doch so etwas wie Zauberei in der Musik gibt. Genauso wie bei Harry Potter.
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