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Kultur: Caputh: Knappes Loblied auf die Gebrauchsmusik

„Der Ton einer guten Orgel muß dick, schneidend und alldurchdringend seyn“, fordert Daniel Schubart in seiner Musikästhetik. Wenn sie nicht so klingt, ist sie dann schlecht?

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„Der Ton einer guten Orgel muß dick, schneidend und alldurchdringend seyn“, fordert Daniel Schubart in seiner Musikästhetik. Wenn sie nicht so klingt, ist sie dann schlecht? Die Hüfken-Orgel in der Stüler-Kirche zu Caputh stünde ob ihrer ausgewogenen Disposition sicherlich nicht hoch in der Schubartschen Gunst. Bei heutigen Organisten umso mehr. Bei seinem Auftritt im Rahmen des „Caputher Orgelsommers“ entdeckte Lothar Knappe (Ferch/Berlin) an ihr jenen weit verbreiteten Typ von Dorfkircheninstrument, das hauptsächlich für den Gottesdienst bestimmt war.

Doch was spielte man damals auf ihr? Sicherlich Choralvorspiele, erbauliche Stimmungsstücke, Gebrauchsmusik von Kleinmeistern, Fantasien und Improvisationen. Mehr nicht. Und so machte sich Lothar Knappe daran, solche Stücke aus dem 19./20. Jahrhundert zu sammeln und in einen imaginären liturgischen Zusammenhang zu bringen – sozusagen als eine virtuelle Orgelmesse a la Frescobaldi oder Bach. Sein thematisierter und fundiert erläuterter Versuch, „Eine romantische Orgelmesse auf dem Dorf“ erlebbar zu machen, erweist sich als gelungen. Fern einer historischen Abfolge eilt er durch die Zeiten. Manche Petitesse gibt es dabei zu entdecken. Franz Liszts „Angelus“-Introitus eröffnet den musikalischen „Gottesdienst“, der mit einem zarten Motiv im Diskant beginnt, bei dem sich trefflich das Glöckchen zum täglich dreimaligen Angelus-Läuten vorstellen lässt. Dem folgt stockendes Atemholen, dann der vollgriffig tastatierte Ausbruch. In ätherisch-tremolierender Verklärung endet das Stück. Im Kontrast dazu steht das anschließend erklingende operntheatralische c-Moll-Präludium von Johann Christian Heinrich Rinck (1770-1846), eine Mischung aus moderner und alter Schreibweise, aus Expression und polyphoner Logik.

Zurückhaltend im Ausdruck erklingen schlicht gehaltene Choralbearbeitungen („Du meine Seele, singe“, „Christe, du Lamm Gottes“) von Karl Hoyer (1891-1936), ganz gottesdienstlichen Aufgaben verhaftet. Im modernen, dissonanzenreichen Tonsatz steht das „Kyrie eleison“ von Fritz Lubrich jr. (1888-1971), das in einer Mischung aus schroffen und zerrissenen, dann wieder weichen Stimmen ertönt. Das tief orgelnde Pedal kommt dabei fast an seine tönende Leistungsgrenze. Hymnisch im vollen Werk tönt das Praeambulum festivum „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ von Sigfried Karg-Elert (1877-1933), dem dank der Kontrastdramaturgie das introvertierte, vielfarbig registrierte „Gebet“ von Richard Bartmuß (1859-1910) folgt.

Auch mit Max Regers verinnerlicht und leise gespielter Choralbearbeitung „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, die allerdings keinen extrovertierten Aufschrei kennt, hatte Knappe eines jener Stücke ausgewählt, die keinem effektvollen „Akt“-Schluss zustreben. Was zur Folge hat, dass man bei der mehrteiligen, zwischen lieblich-lyrisch und hymnisch pendelnden Fantasie g-Moll mit dem Choral „Schmücke dich, du liebe Seele“ von Friedrich Wilhelm Stade (1817-1902) ins Grübeln kommt, wann das eine Stück aufhört, das andere beginnt. Die Folge: nach dem erhabenen Adagio von Otto Dienel (1839-1905), dem bekräftigend und besänftigend erklingenden Dankpsalm von Oskar Wermann (1840-1906) und dem klangüppigen „Nachspiel im Rinck“schen Stil“ von Adolf Friedrich Hesse (1809-1863) erklingt immer wieder Beifall. Wann ist denn nun Schluss? Als Lothar Knappe die letzten „Nachspiel“-Akkorde gleich mehrfachen Ausrufezeichen gebührlich in die Länge zieht. Für seine Kunst der „ordentlichen“, den Stücken angemessenen Registrierungen gibt es viel Beifall. Peter Buske

Peter Buske

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