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Kultur: Cecilie sollte Kaiserin werden

Jörg Kirschstein stellte in Cecilienhof seine Bildbiografie über die letzte deutsche Kronprinzessin vor

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Jörg Kirschstein stellte in Cecilienhof seine Bildbiografie über die letzte deutsche Kronprinzessin vor Von Erhart Hohenstein In den „Erinnerungen an den deutschen Kronprinzen“ hat Cecilie 1952 ihrem verstorbenen Gatten Wilhelm ein würdigendes Denkmal gesetzt. Der Kronprinz wiederum hatte 1941, als er Chef des Hauses Hohenzollern wurde, Cecilie mit Betonung „ihrer verständnisvollen Liebe, Treue und Aufopferung“ höchste Orden verliehen. Doch die Wirklichkeit dieser Ehe sah anders aus. Niemand hat diese Beziehung gründlicher durchleuchtet als der Mitarbeiter der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Jörg Kirschstein, den die Kaiserzeit schon in jungen Jahren faszinierte. In seiner Bildbiographie „Kronprinzessin Cecilie“ stellt er auch die von Affairen Wilhelms und Missachtung gegenüber der Frau, mit der er sechs Kinder hatte, geprägte Partnerschaft detailliert dar. Dazu hat er die Tagebücher und Briefe der Kronprinzessin herangezogen, in der sie sich über die Demütigungen durch ihren Gemahl äußert. Die Quellen verraten aber auch, dass die bildschöne, 1,82 m große mecklenburgische Fürstentochter eine äußerst couragierte, tatkräftige Person war, die sich durch keinen Schicksalsschlag umwerfen ließ. „Nichts von Hass und Verbitterung trübt ihren klaren Blick für die Gegenwart“, schrieb der Schriftsteller Rudolf Presber. Die Kronprinzessin hielt nach Ende der Monarchie die Hohenzollernfamilie zusammen, in der es durchaus nicht harmonisch zuging. So stießen Bestrebungen konservativer Kreise, die Monarchie unter Cecilie als Kaiserin wiederherzustellen, auf heftigsten Widerstand des abgedankten Wilhelms II. Sie sei darauf aus, „in Deutschland die Rolle der Katharina II. zu übernehmen“, warf er seiner Schwiegertochter vor dem Hintergrund ihrer russischen Vorfahren vor. Die Aussicht, wieder an die Spitze des Staates zu gelangen, bestimmte wohl ebenso den von Cecilie unterstützten Versuch des Kronprinzen, 1932 für die Reichspräsidentenwahl zu kandidieren, und die vorübergehende Kontaktaufnahme zu den Nationalsozialisten. Daraus wäre auch das Telegramm zu erklären, in dem die Kronprinzessin den von ihr geleiteten, 300 000 Mitglieder zählenden „Bund Königin Luise“ dem Schutz und der Führung Hitlers unterstellt. Kirschstein nennt diesen Schritt „unverständlich“. Damit sind nur einige Aspekte des Buches erwähnt, das der Autor dem Publikum in einer ausführlichen Lesung im Schloss Cecilienhof nahe brachte. Selbstverständlich geht es außerdem auf die Potsdamer Jahre Cecilies und ihr Wirken in dieser Stadt, ihr soziales Engagement, auf die Erziehung ihrer Kinder, ihre Flucht 1945 nach Bad Kissingen und ihren durch Krankheit und eingeengte Wohnverhältnisse geprägten Lebensabend ein. Unbedingt zu erwähnen ist der Bildteil, der bisher meist unbekannte Fotografien enthält. So wird beispielsweise das frisch vermählte Kronprinzenpaar auf dem Alten Markt gezeigt, wo es am 3. Juni 1905 von Bürgermeister Richard Jaehne und einer jubelnden Menschenmenge in Potsdam empfangen wurde. Am Margaritentag 1911 fährt Cecilie bei einem Blumenkorso, dessen Erlös Bedürftigen zugute kommt, durch die Russische Kolonie Alexandrowka. Beeindruckend ebenso die Bilder, die den fortschreitenden, durch ihre schwierigen Lebensumstände mit bewirkten Verfall der Schönheit der Prinzessin dokumentieren. Viele der Aufnahmen hat Jörg Kirschstein im Nachlass des langjährigen Hoffotografen Emil Bieber gefunden, der nach 1933 als Jude außer Landes getrieben wurde. Als Meister der Quellenrecherche hat Kirschstein eine unglaubliche Fülle von Details über Leben und Wirken der Kronprinzessin zusammengetragen. Vielleicht springt deshalb der Text manchmal etwas schnell von einem Ereignis zum anderen. Das soll aber die einzige kritische Anmerkung zu dem Band sein, der von der edition q in gewohnt guter Druck- und Bildqualität herausgebracht worden ist und u.a. im Museumsshop Cecilienhof angeboten wird. Jörg Kirschstein, Kronprinzessin Cecilie. Eine Bildbiographie, edition q, Berlin 2004, 28 €, ISBN 3-86124-579-5.

Erhart Hohenstein

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