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Kultur: Charmant-unperfekt

Fast ohne Budget: „Dicke Mädchen“ von HFF-Absolventen Axel Ranisch im Filmgespräch

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Wohl die wenigsten jungen Regisseure dürften mit einer Großmutter aufwarten können, die bereit und in der Lage ist, Rollen in ihren Filmen zu übernehmen. Axel Ranisch, Regie-Absolvent der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Babelsberg, kann das.

In seinem Debütfilm „Dicke Mädchen“, der am Mittwochabend in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ lief, spielt seine Großmutter Ruth Bickelhaupt mit, liefert gar einen Spagat in einer der vor Spielfreude schier aus allen Nähten platzenden Szenen ab. In der ebenso humorvollen und warmherzigen wie stilistisch charmant-unperfekten Tragikomödie ihres Enkels, die im vollbesetzten Kino mehrfach mit stürmischem Applaus gefeiert wurde, verkörpert sie die demenzkranke Edeltraut.

Edeltraut ist alt und lebt mit ihrem Sohn Sven in einer Wohnung, wird von ihm versorgt. Tagsüber, wenn Sven arbeitet, kommt Daniel und passt auf Edeltraut auf. Eines Tages sperrt Edeltraut Daniel auf dem Balkon aus und verlässt die Wohnung. Bei der Suche nach ihr beginnt eine leise Liebesgeschichte zwischen Sven und Daniel.

Sven und Daniel werden von den Schauspielern Heiko Pinkowski und Peter Trabner gespielt. Wenn der große, kräftige Heiko Pinkowski als Sven nackt nach den Klängen von Ravels „Bolero“ tanzt, gehört das mit zu den anrührendsten und schönsten Szenen des Films.

Und nicht nur diese Sequenz zeigt, wie meisterhaft Axel Ranisch, der Klassik-Liebhaber, Musik auszuwählen und einzusetzen weiß.

Heiko Pinkowski hat seine Familie mit in den Film eingebracht – sein Sohn Paul spielt Leo, den Sohn von Daniel, seine Frau und seine anderen beiden Kinder agieren im Hintergrund. Paul Pinkowski, der während des Drehens der Szene am See meinte, sein Vater und dessen Schauspielpartner Peter Trabner liefen am See herum „wie zwei dicke Mädchen“, ist dann auch der Titel des Films zu verdanken.

Überhaupt fühlen sich alle am Film Beteiligten als „Familie“ – als eine Gruppe Gleichgesinnter, die zusammen arbeitet, aber nicht nur das: „Das mischt sich ein bisschen, das kann man nicht so trennen“, sagte Heiko Pinkowski im Filmgespräch mit Jeannette Eggert auf die Frage, ob seine Brille echt, „aus dem wahren Leben“, sei.

Der Film entstand nach einem Handlungsgerüst, in dem jede Szene knapp beschrieben war. „Wir wollten nichts machen, was Geld kostet“, erzählt Axel Ranisch, „wollten in uns, in diesem Rahmen zu dritt bleiben“. Für die etwa 517 Euro, die dann doch für die Produktion – für Benzin, Brötchen, Mittagessen, zehn Meter Kabel und einen Ausflug in den Tierpark ausgegeben wurden – „legten wir alle unser Taschengeld zusammen“, so Produzentin Anne Baeker. Wie Heiko Pinkowski auch gehört sie mit zu den Freunden, mit denen Axel Ranisch gemeinsam eine Filmproduktion mit dem programmatischen Namen „Sehr gute Filme“ gegründet hat.

„Wenn man auf das ganze große Filmteam verzichtet, und da nicht noch ein Regieassistent, Maskenbildner und Lichtleute herumstehen hat, ist man wahnsinnig flexibel“, meint der Regisseur. Auf Kamera- und Tonleute will er beim nächsten Film jedoch nicht wieder verzichten: „Ich hatte mir das Mikrofon oben auf der Kamera und das Kabel um den Körper geschwungen. Und immer wenn ich an das Kabel gekommen bin, machte es ‚plopp’.“ Mit dem großen Erfolg, den ihr Film – zuerst bei den „Hofer Filmtagen“ – erreichte, hatten die Filmemacher nicht gerechnet.

Jetzt ist nicht nur der Druck angesichts des Debüts von dem jungen Regisseur genommen, „Dicke Mädchen“ wird auch in einigen Monaten seinen Kinostart erleben – worauf sich alle Filmenthusiasten wahrhaft freuen dürfen!

Susanne Klappenbach

Susanne Klappenbach

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