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Kultur: Da geht noch was!

Maike Rosa Vogel im Waschhaus

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Vielleicht war der Name eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Maike, klar und bodenständig, Rosa, verträumt und flatterhaft, ein Vogel eben. Wie sollte das was werden mit dem Mädel? Sie bricht die Schule ab, neben Kellner- und Fahrradkurierjobs macht sie mehr und mehr Musik. Sie hat Glück, Herr Lehmann a.k.a. Sven Regener ist vernarrt in sie und fördert das junge Talent. Er habe ihr, so steht es in einem Interview, den technischen Schickschnack ausgeredet und mit ihrem teils von ihm produzierten Album schafft sie es in die Redaktion von RadioEins. Sie darf auf großen Bühnen ins Vorprogramm von Element of Crime – und stand am Donnerstag im Waschhaus Klub vor kleinem Publikum.

Ein Rosa Vogel intim. So versprach es das Programm. Eine Lagerfeuer-Lena mit Klampfe und Mundharmonika, eine gute Stunde Bob Dylan-Verschnitt. Darf man das sagen? Bob Dylan würde das nicht gefallen, der Nachwuchssängerin auch nicht. Immerhin, mit der Sprache haben sie es beide: Bob Dylan soll sich sogar nach dem walisischen Dichter Thomas Dylan genannt haben. Vogel wiederum durfte kürzlich Gedichte von Tennessee Williams vertonen, einige davon hat Milan Peschel in seine Glasmenagerie-Inszenierung am Maxim Gorki Theater eingebaut, die es noch am 31. Mai und 10. Juli zu sehen und hören gibt.

Auch die drei Dutzend Waschhaus-Gäste bekamen Williams zu hören – und vielleicht war das ein kleiner Höhepunkt im gut einstündigen Konzert der Folksängerin. Eine Abwechslung, die einfach gut tat. Denn es stimmt, was sich diese junge Frau in die Ankündigung hat schreiben lassen: „Vom ersten Ton an ist man mittendrin“. Die Liedchen sind allesamt recht hübsch, aber nach dem dritten hätte man auch gehen können, dann kennt man das Programm, sehnen sich die Ohren nach Abwechslung. Es dauert eine Weile, bis man darauf kommt, woran das liegt: Allesamt sind ihre Songs in der gefühlt selben Tonart platziert; dieselben Tempi, dasselbe Anti-Atomkraft-motivierte Abgerubbel der Klampfe, die bestimmt schon viele korrekte Friedensdemos begleitet hat. Die Texte vollgepackt mit gut gemeinten Wortspielen: Leben und Schweben, Liebe, Haut und Tränen. Mauern. Asche und Angst. Viel Angst. Sie singt davon, dass sie ein Hippie ist, dass Kinder und Liebe ihr noch etwas bedeuten.

Das klingt wie ein vertontes Tagebuch. Eine junge Frau steht jeden Morgen auf und weiß nicht, wohin mit ihren wirren Gedanken. Mit ihrem Frust und Liebeskummer, ihren Sehnsüchten. Hier und da versteckt sie Gesellschaftskritik, dass sie an ihren Fahrradlenker Blumenketten hängt, während andere Menschen Autobahnen bauen. Von faulen Kommunisten und reichen Analysten. Aber das alles rührt sie gleich wieder zusammen wie eine kräftige Suppe, an deren Geschmack man sich im Nachhinein dann doch nicht erinnern kann. Die Stimme wenig melodiös, gehetzt, die Halbsätze veratmet. Sie hat gleich zu Beginn die Schuhe ausgezogen, auch das passt zum Klischee der Weltverbesserin, wie eine Straßenmusikerin steht sie auf der nackten Bühne, die Mundharmonika um den Hals. Nur dass es irgendwie traurig macht. Man möchte sie in den Arm nehmen und sagen: Komm heraus aus deinem Schatten, hab Spaß, mach etwas Unverantwortliches, tausch die bequemen Wanderschuhe gegen Pumps und kauf heute keine Biotomaten, sondern eine Currywurst. Und schaff dir verdammt noch mal eine Band an – zeig Herrn Lehmann a.k.a. Sven Regener, dass auch sensible Frauen rocken können. Dann müsste sie sich nicht mehr allein die Fingerkuppen blutig schrubbeln, würde vielleicht sogar etwas auftauen und entspannen – und wenn sie davon singt, wie sie „Liebe gemacht hat“, nicht mehr verschämt zu Boden schauen. Steffi Pyanoe

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