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Ensembles for New Musik Tallinn 
Fotograf Rene Jakobson
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© Ensembles for New Musik Tallinn/Rene Jakobson

Dadaismus für die Ohren: Musikfest „Intersonanzen“ lädt zu klangvollen Experimenten ein

Bereits zum 23. Mal findet ab 18. Mai das Brandenburgische Fest der Neuen Musik „Intersonanzen“ statt. Zu erwarten sind ein buntes Programm und überraschende Erkenntnisse.

Von Alicia Rust

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Jede Form der Kunst beansprucht eine gewisse Zeit, damit sie erlebbar wird. Die Musik gestaltet und strukturiert in der Regel die Zeitspanne ihres Erlebens bewusst vom Anfang bis zum Ende, im Gegensatz zur bildenden Kunst, bei der man als Betrachter den Zeitraum bestimmt, den man sich für sie nehmen möchte.

Die Entstehung neuer Hörformate

Das kann sich bei zeitgenössischen Formen aber auch anders verhalten, wie beispielsweise bei Klang-Objekten oder Installationen und natürlich gilt das noch mehr für interaktive Werke. Immer häufiger werden auch die äußeren Bedingungen mit in eine Inszenierung eingebunden.

„Auf diese Weise entstehen neue experimentelle Hörformate, teilweise sogar unter Einbeziehung oder in Korrespondenz mit anderen Kunstformen“, sagt Thomas Gerwin, künstlerischer Leiter der „Intersonanzen“, die ab dem 18. Mai bereits zum 23. Mal in Potsdam stattfinden.

Wir fahren durch die Symphonie des Alltags und nehmen die Geräusche aus der Umgebung bewusst wahr und binden sie mit ein.

Thomas Gerwin (Künstlerischer Leiter, Intersonanzen)

Wer musikalische Eindrücke gewinnen oder vertiefen möchte, kann beim Brandenburgischen Fest der Neuen Musik aus einer Fülle von Veranstaltungen wie Aktionen, Performances, Konzerten oder Symposien ein passendes Format für sich wählen. Am Ende eines jeden Tages wird es Diskursgespräche unter dem Titel „Neue Musik im Diskurs“ geben, bei denen Künstler Gelegenheit haben, ihre Arbeit einem interessierten Publikum ausführlicher zu erklären.

Symphonie des Alltags

Erstmals wird – neben einem Soundwalk und einem Workshop – auch eine RadKlangTour angeboten. „Wir fahren durch die Symphonie des Alltags“, sagt Gerwin. „Dabei nehmen wir die Geräusche, die uns umgeben, bewusst war, wir binden sie mit ein“, so der Komponist. Das könne Vogelgezwitscher sein, das Rauschen des Wassers, aber ebenso gut auch das Brummen eines Motors, wie andere Geräusche.

Eine besondere Ergänzung der klangvollen Radtour wird die Anwesenheit der Sopranistin Claudia Herr sein. „Sie wird an einzelnen Stellen Interventionen machen“, sagt Gerwin. Mehr werde noch nicht verraten.

Der Klang wirkt direkt auf uns, aber bei der Klangkunst geht es nicht nur um die Wirkung, sondern um die Sensibilisierung für die Geräusche, die uns umgeben.

Thomas Gerwin (Komponist)

Auch bestimmte Gegenstände oder Vorrichtungen aus der Umgebung können einbezogen werden. „Bei der klingenden Kunst handelt es sich nicht nur um die Musik“, sagt Gerwin. „Dazu gehört alles, was sich über das Gehör wahrnehmen lässt, aber eben auch noch viel mehr. Musik werde oftmals benutzt, zum Aufwachen, beim Essen, zur Unterstützung einer besonderen Stimmung im Film. „Der Klang wirkt direkt auf uns“, so der Komponist.

Doch bei der Klangkunst gehe es eben nicht nur um die Wirkung, sondern vielmehr um die Sensibilisierung für die Geräusche. Auch aus dem Alltag, die wir häufig genug ausblenden, oder gar nicht mehr wahrnehmen, weil wir ihnen so regelmäßig ausgesetzt sind, wie beispielsweise Straßengeräuschen.

Autonomie der Klangkunst

„Mein Verständnis von klingender Kunst ist, dass man vorher nicht weiß, wie sie klingen wird“, erklärt Thomas Gerwin. Neben dem Faktor Zeit komme somit auch die Wahrnehmung hinzu. Das setzt natürlich eine Offenheit voraus. Worauf lassen wir uns ein? Das gilt nicht nur für den Klang, sondern auch für die Wahl des Instruments. „Die klingende Kunst ist genauso autark, wie etwa ein Bild.“

An einer Station gibt es einen großen eisernen Zaun, der kann von den Teilnehmern der musikalischen Tour kurzerhand zum Perkussions-Instrument umfunktioniert werden. Prinzipiell könne nahezu jeder Gegenstand als Instrument genutzt werden, auf einer Parkbank zum Beispiel lasse sich vortrefflich trommeln, ermutigt Komponist Gerwin.

Im Grunde eignet sich also fast jeder Untergrund. Alles eine Frage der Betrachtung, genau wie die Frage nach dem zeitlichen Empfinden in oder für die klingende Kunst. Um es mit Beuys zu halten, der einst gesagt haben soll, alles sei Kunst, darf es nun getrost heißen: Alles ist Klang.

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