
© Finzelberg
Kultur: Das Betrachten unbedeutender Dinge
„Trichotomie“: Bilder von Sabine Finzelberg, Marcel Casado und Heiko Janßen im „KunstWerk“
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Sabine Finzelberg hat ihre Kamera meistens dabei, wenn sie das Haus verlässt. Sie sah schon immer Dinge, die auf den ersten Blick nicht so bedeutsam erscheinen, die aber einiges Potenzial haben, wenn man sie vom Kontext losgelöst betrachtet – das funktioniert ein bisschen wie ein Rorschach-Test, der Perspektivwechsel in das Fantasievolle. „Man steht irgendwo draußen, und auf einmal grinst einen ein Krokodil an. Man ärgert sich, dass man die Kamera nicht dabeihat – und beim nächsten Mal ist der Putz abgebröselt und das Krokodil weg“, sagt sie über ihre Sichtweise. Diese Vergänglichkeit versucht sie festzuhalten, auf einem Foto einzufangen. Hinterher wird das Bild bearbeitet: und zwar ohne digitale Verzerrung, sondern ausgedruckt und dann mit Farbe oder Kreide verfremdet. Dabei dürfe man aber nicht übertreiben, damit das Auge noch erkennt, was das Objekt ursprünglich war. Herausgekommen sind Momentaufnahmen in Schwarz-Weiß, die so wahrscheinlich übersehen worden wären.
Sabine Finzelbergs Bilder sind Teil der Ausstellung „Trichotomie“, die am Freitag im „KunstWerk“ des studentischen Kulturzentrums eröffnet wurde, eine Dreiteilung – was natürlich naheliegend ist, wenn sich drei Künstler die Ausstellung teilen. Das Trio hat jedoch nicht so viel gemeinsam, bis auf dass sich Sabine Finzelberg, Marcel Casado und Heiko Janßen das Dach über den Räumlichkeiten teilen – und die Leidenschaft für Fotografie, welche den gemeinsamen Nenner darstellt. Und natürlich schwingt ein bisschen Verballhornung der Dichotomie im Titel, eine peinlich genaue Übertreibung sei da gemeint.
Das Markenzeichen von Sabine Finzelberg ist jedoch ein Objekt, das sie für Installationen verwendet, ein immer wiederkehrendes Element, dem ein Eigenleben eingehaucht wird: ein Föhn. Dabei handelt es sich um einen Standföhn, ein altertümliches Ungetüm, das irgendwann verlassen auf dem Sperrmüll stand und dem Sabine Finzelberg ein neues Leben gewährte. Und auch in ihrer dritten Ausstellung wird der Föhn im Mittelpunkt stehen: „Ich habe die Befürchtung, dass er mein Markenzeichen geworden ist“, sagt sie, aber ihre Augen strahlen dabei jegliche Besorgnis weg. Aus der fixen Idee der ersten Ausstellung als „Kleingruppe Föhn“ hat sich längst ein künstlerischer Duktus herauskristallisiert.
Höhepunkt der Ausstellung ist eine Videoinstallation, die sich stark an der Streetart-Bewegung orientiert. Dabei entwickelt der Föhn ein Eigenleben inmitten des Potsdamer Alltags: „Jeder Zweite steht stocksteif an der Haltestelle und hört mit Kopfhörern Musik, aber keinem sieht man an, was er gerade hört. Der Föhn gibt den Menschen wieder den Raum zum Tanzen, weil sich sonst keiner traut“, erklärt Finzelberg die Idee dahinter. Unterstützung erhielt sie von Matthias Marquardt, Schlagzeuger von The Walls Concave, der die Filmmusik komplett einspielte. „Ich habe Matthias erzählt, was unbedingt rein muss, und dann haben wir einfach draufloskomponiert. Herausgekommen ist ein 80er-Jahre-Radiosong, der durchaus tanzbar ist. Matthias hat dann Gitarre und Schlagzeug aufgenommen und den Song am PC zusammengebastelt.“ Während der synthielastige Hit dudelt, dokumentiert das Video, was Kunst mit ihrer Umwelt macht: ein wunderbares Video, das man wieder und wieder sehen kann und dessen Musik sich ins Gehör brennt.
Der Berliner Fotograf Marcel Casado ist ein weiterer Teil des Trios, wobei seine Arbeiten urbane Ansichten mit grobpixeligen Charme sind: „Weißensee 1“ heißen seine Stadtbilder etwa, oder „Mitte 5“. Ein Teil der Fotoserien zeigt Models der 50er Jahre, die Casado in seine verwaschenen Fotografien Berliner U-Bahnhöfe integriert, Anachronismen, die in den Räumen des Kunstvereins hervorragend zur Geltung kommen. Die Idee kam ihm, als er eines Nachts einen alten Modekatalog in einer U-Bahn fand – die Idee setzte sich in seinem Kopf fest. Und so spielt die Serie „Alexanderplatz“ mit Manipulationen: „Bilder sind manipulativ. Und das gefällt mir“, beschreibt Casado knapp seine Intention.
Ist Berlin Topos der Fotografien von Marcel Casado, so hat Heiko Janßen auch einen Ort, der das Zentrum seiner Arbeit bietet: Hannover. Seine Schwarzweiß-Fotografien strahlen nicht das typisch Paralysierende aus, was im Kontrast unterzugehen droht. Er reduziert seine Aufnahmen auf das Wesentliche, immer wieder stehen Strukturen im Mittelpunkt, sowohl in den Fotografien von Gebäuden als auch von Personen. Es sind Bilder im Freeze, die Janßen einfängt und für sich stehen lässt. Bei Janßen wirkt das alles ein wenig augenzwinkernd, er hat die großen Gesten kaum nötig: Er wolle den Menschen nur etwas zurückgeben, meint er. Und irgendwie tut er das ja auch.
„Trichotomie“ von Sabine Finzelberg, Marcel Casado und Heiko Janßen bis zum 7. April im „KunstWerk“ in der Hermann-Elflein-Straße 10, geöffnet mittwochs bis sonntag, 15-19 Uhr
Oliver Dietrich
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