zum Hauptinhalt

Kultur: Das Christfest musikalisch gefeiert

Adventssingen in St. Nikolai und Musik zur Christnacht in der Erlöserkirche

Stand:

Rund 400 Sängerinnen und Sänger waren am Sonntag vor dem Heiligen Abend, am 4. Advent, in der Nikolaikirche zu hören. Zum traditionellen Adventssingen. Seit 1981 gibt es diese Veranstaltung in der großen Kuppelkirche auf dem Alten Markt. Kantor Wolfram Iwer hat sie ins Leben gerufen und Kantor Björn O. Wiede führt sie seit mehreren Jahren fort. Mit großem Erfolg. Die Zuhörer kommen nach wie vor in Scharen zum Adventssingen, so dass es zwei Mal „über die Bühne gehen“ muss. Kein Konzert erwartet den Besucher an diesem Nachmittag, sondern eher ein gottesdienstliches Singen, eines, das den Advent und das Christfest musikalisch feiert.

In der ersten Veranstaltung waren die Kantorei und die Kurrende von St. Nikolai (Leitung Björn O. Wiede), die Kantorei der Friedenskirche (Leitung: Matthias Jacob),der Kirchenchor von St. Peter und Paul ( Leitung: Andreas Zacher) sowie die Kantoreien Werder, Eiche und der Chor der Pfingstkirche (Leitung: Matthias Trommer) zu hören. Die Chöre sangen im Wechsel und gemeinsam von verschiedenen Standorten, im Altarraum und auf den drei Emporen. Dazu erklang die Altarorgel und auch der Bechstein-Flügel wurde zum Klingen gebracht. In dem großen Kirchenraum ist die Simultanität des gemeinsamen Singens der Chöre jedoch hin und wieder gefährdet. Aber dies kennt man schon seit 26 Jahren. Dennoch kommt man immer wieder zum guten und harmonischen Ende.

Das Wichtigste an diesem Adventssingen ist, dass mit großer Liebe und mit warmem Engagement gesungen wird, Bekanntes wie „Zu Bethlehem geboren“ (Satz: Albert Becker) und Unbekanntes wie „Ave Maria“, einem Chorsatz von Sergej Rachmaninow. Pfarrrerin Susanne Weichenhan widmete ihre Ansprache dem Bibeltext von der Ankündigung des Engels an Maria, dass sie den Erlöser der Welt gebären soll. Ein Wunder, das man nicht genug bestaunen kann. Und so konnten die Zuhörer, die immer wieder zum Mitsingen eingeladen wurden und dies auch gern annahmen , mit einer Choralstrophe aus „Macht hoch die Tür“ antworten: „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür die offen ist“.Klaus Büstrin

Am Heiligen Abend sind die Kirchen immer und überall voll. Es muss dafür ein Bedürfnis geben. Wie viel Wort, wie viel Geistlichkeit man in solche Andachten hineinlegt, ist von Ort zu Ort verschieden. Möglicherweise spielt hier der konkrete Kirchenraum eine Rolle, die Akustik bestimmt. In der Erlöserkirche hat man zwar für das gesprochene Wort vom Altar her etwas nachgearbeitet, sonst aber sind Pfarrer Konrad Elmer-Herzig und Ud Joffe, Chef der Potsdamer Kantorei, mit den Bedingungen ziemlich zufrieden. Um 22 Uhr wurde nach schönem Glockenläuten eine ganz erlesene „Musik zur Christnacht“ angeboten, Werke Europas vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Angesichts der adventlichen Bach-Schwemme kam man in dieser Nacht auch mal ohne ihn aus. Der 1898 abgeschlossene Bau im neogotischen Stil war sehr voll und wieder sehr dunkel. Der Stern Bethlehems leuchtete zwar, ein großer Christbaum neben dem Altar, Kerzen beim Gestühl, doch im Dämmerschein sah man den Pfarrer nicht gerade gut mit seiner Alba, Zeichen der Heilszeit, zugleich ein unübersehbarer Verweis auf die gemeinsamen Ursprünge der heute so arg zersplitterten Christengemeinde. Auch Klaus Büstrin, für das gesprochene Wort zuständig, stand leider ziemlich im Dunkeln. Neben dem Standard aus dem Lukas-Evangelium brachte er Texte von Jochen Klepper, Jean Anouilh und selbstverfasste „Weihnachtswünsche“ zu Gehör, alles mit Andacht und großer Ehrfurcht vor der Geburt des Herrn gesprochen. Es war eine wolkenverhangene Vollmondnacht.

Die Musik hatte den Primat. Eine Trompete (Jakob Gerhardt) begrüßte die Spätabend-Gemeinde vor der Tür, sonst kamen alle Beiträge von der Orgelempore. Joachim a Burck (16. Jahrhundert) eröffnete diese Andacht mit dem schönen A-cappella-Stück „Vom Ölberg zeucht daher“, wie alles von der Potsdamer Kantorei sehr warm und innig vorgetragen: Andrea Gabrielis „Angelus ad pastores ait“, Leonhard Lechners schönes „In dulci iubilo“ oder Adam Gumpelzhaimers „Vom Himmel hoch“, das inzwischen zum Standard des Chores gehört.

Eine ganz eigene Qualität hatte die klangvolle Sopran-Solostimme von Juliane Sprengel, besonders bei den Mariengesängen „O Rosa bella“ (Dunstable) und dem anonymen „Maria Matrem“. Anderes, wie „Natività di Christo“ (Biagio Marini) oder Bödeckers „Natus Est“, wurde von Gamben begleitet. In zwei Stücken (Corelli, Abel) kam der besondere Klang dieser alten Instrumente auch als Duo (Christiane Gerhardt, Tilman Muthesius) zur Geltung. Klasse. Sogar eine Santur (Rusbe Torkaschwant) war diesmal zu hören.

Klaus Büstrins „Weihnachtswünsche“, von Pfarrer Konrad Elmer-Herzig vorgelesen, sprachen von Frieden und Geborgenheit, vom Licht und jener Liebe, die nicht vergehen, „wenn du das zarte Kind in dir lebendig hältst“. Die Herren der Kantorei begaben sich nach unten, um mit Grubers romantisch inspirierter „Stille Nacht, Heilige Nacht“ für den Spendenanlass dieser Andacht zu werben, die Gelder sollen ins sudanesische Darfur gehen.

Ud Joffe hatte dieses Lied mit Burdun-Tönen geschmückt, um den ewigen „Klang dieser Knabenstimmen“ aus den Ohren der Leute zu treiben. Ob“s gelang, wird jeder selbst herausgefunden haben. Reich jedenfalls war dieser Abend, trotz (und wegen) des Dämmerlichts. So ist die Kraft der Musik.

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })