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Kultur: Das Dirigieren im Blut

Der Cellist Michael Sanderling wird Chefdirigent der Kammerakademie

Der Cellist Michael Sanderling wird Chefdirigent der Kammerakademie Von Klaus Büstrin Wohin ihn eines Tages der Weg führen wird, ob er nur noch dirigieren oder nur das Cello spielen wird oder weiterhin beides macht, steht dahin. Der bisher vor allem als Cellist weithin bekannte Michael Sanderling will das Schicksal entscheiden lassen. Jetzt hat er sich aber entschieden, Chefdirigent der Kammerakademie Potsdam zu werden, und zwar für drei Jahre. Es habe ihn sehr gefreut, dass ihn die Musiker des Hausorchesters des Nikolaisaals mit großer Mehrheit in diese Position gewählt haben, so Michael Sanderling in einem PNN–Gespräch. Ab 1. August 2006 beginnt sein Engagement. Die Kammerakademie kennt den Musiker seit längerem vom gemeinsamen inspirierenden Musizieren bei Konzerten, ob als Cellisten oder als Dirigenten. „Auf der Suche nach einem festen Dirigenten kam uns Michael Sanderling gerade recht“, so Frauke Roth, die Geschäftsführerin des Orchesters. Sie fügt hinzu: „Uns ist es wichtig, dass eine klare und eindeutige künstlerische Handschrift die Qualität der Kammerakademie unterstreicht, Qualität, auch bei der Interpretation von Musik des 19. bis zum 21. Jahrhundert.“ Für die Werke des 18. Jahrhunderts hat der Klangkörper ja längst einen hervorragenden Griff getan – mit dem Fagottisten Sergio Azzolini. Sanderling und Azzolini werden ab der Saison 2005/06 gemeinsam für die künstlerische Leitung der Kammerakademie verantwortlich sein. Jeder auf seinem Gebiet. „Mit gebündelter Kraft wollen wir auf ein vielfältiges Repertoire setzen“, so Sanderling. Natürlich wird die 35-köpfige Kammerakademie auf die großen sinfonischen Werke des 19. Jahrhunderts auch weiterhin verzichten müssen, aber für den Chefdirigenten in spe wird es hochinteressant sein, selten gespielte Werke großer Meister bekannt zu machen. Außerdem möchte er auch hierbei die historische Aufführungspraxis nicht außer Acht lassen. Beispielsweise könnten die Brahms-Sinfonien, die bei den Uraufführungen von rund 40 Musikern gespielt wurden, in der heutigen Kammerakademie-Besetzung, natürlich mit einigen zusätzlichen Musikern, interpretiert werden. „Auch die zeitgenössische Musik muss in den Programmen weiterhin vorkommen. Sie braucht ebenfalls ein Podium“. Der Name Sanderling hat in der Musikwelt einen wunderbaren Klang. Neben dem Nestor der deutschen Dirigenten, Kurt Sanderling, sind auch seine Söhne Thomas und Stefan in die Fußstapfen des Vaters getreten. Stefan war bekanntlich von 1990 an fünf Jahre lang Chefdirigent der Brandenburgischen Philharmonie Potsdam. Heute ist er Chef des Florida Orchestra in Tampa/USA. Neben Mutter Barbara, die eine bekannte Harfenistin war, ist Michael der einzige in der Familie, der ein Instrument, das Violoncello, bis zur absoluten Meisterschaft geführt hat. Er war Solocellist beim Gewandhaus Leipzig, eroberte als Solist die Konzertpodien in aller Welt. Doch das Dirigieren muss allen Sanderling-Söhnen im Blut stecken. Ein interpretatorischer Gestaltungswille, nicht nur bei Werken für sein Instrument, sondern in vielen musikalischen Genres, führte auch Michael dazu, sich mit dem Dirigieren zu beschäftigen. Und der große Erfolg, den er damit verbuchen kann, bestätigt, dass ein Dirigent von hohen Graden heranwächst. Dabei hat er keine Stunde universitären Dirigierunterrichts erhalten. „Dem Vater habe ich als Kind bei seinen Orchesterproben viel zugeschaut. Die intensivsten Anregungen erhielt ich jedoch bei Dirigentenseminaren von Heinz Rögner, besonders in technischer Hinsicht.“ Michael Sanderling ist derzeit eher als Dirigent denn als Cellist anzutreffen. Ganz will er das Instrument aber nicht in die Ecke stellen. Es wäre auch schade. „Wir haben ihn gebeten, in der nächsten Saison wieder ein Cellokonzert mit der Kammerakademie zu spielen“, sagt Frauke Roth. Am Sonnabend ist der designierte Chefdirigent beim Sinfoniekonzert der Kammerakademie im Nikolaisaal (Beginn. 19.30 Uhr) als Dirigent zu erleben, mit Werken von Hans Werner Henze, Richard Wagner und Ludwig van Beethoven.

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