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Kultur: Das doppelte Schaufenster

Tagung: Berlin und Brandenburg im Kalten Krieg

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Tagung: Berlin und Brandenburg im Kalten Krieg Eine Fusion der Länder Berlin und Brandenburg ist unausweichlich. Das erklärte Prof. Dr. Wolfgang Ribbe, Historische Kommission Berlin, gestern zum Auftakt eines gemeinsam mit dem Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) veranstalteten Workshops „Berlin-Brandenburg im Kalten Krieg 1945 - 1961“. Schon seit dem Aufstieg Berlin-Cöllns zur Hauptstadt, die es vor allem seiner zentralen Lage und der Erhebung zur kurfürstlichen Residenz verdankte, habe es stets einen Verflechtungsraum mit Brandenburg gebildet. Ribbe stellte dies an der politischen, wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung bis in die Gegenwart dar. Wenn jetzt Berlin und Brandenburg immer mehr Behörden und öffentliche Einrichtungen zusammenlegen, sei dies einen „nicht mehr umkehrbarer Prozess“. Dr. Michael Lemke, der das Forschungsprojekt am ZZF leitet, wandte sich dann der spannenden Frage zu, ob und wie sich diese Verflechtungen auch in der Zeit der deutschen Spaltung erhalten haben. In diesem Konflikt nahm die Region eine Sonderrolle ein, weil hier europaweit beispiellos eine Stadt geteilt wurde und die Gegensätze besonders hart aufeinander prallten. Zudem blieb für die Ostberliner, die Potsdamer und Randbewohner der Metropole bis 1961 die Möglichkeit offen, Westberlin zu besuchen und einen direkten Vergleich mit ihren Lebensverhältnissen zu ziehen. Diese Situation zwang der östlichen wie der westlichen Seite einen Wettbewerb auf, in dem Berlin zu einem „doppelten Schaufenster“ wurde. Westberlin erhielt dafür hohe Subventionen, der östliche Teil konzentrierte seine Mittel auf den Ausbau zur „Hauptstadt der DDR“. Diese „Systemkonkurrenz“ sehen Lemke und seine Projektgruppen als entscheidendes Kennzeichen der Berlin-Brandenburger Entwicklung im Kalten Krieg. Lemke warte davor, die Entwicklung in Westberlin einseitig als Erfolgsstory und die im anderen Teil der Stadt als eine Kette von Desastern darzustellen. Auch die Westberliner nahmen die im Osten billigeren Dienstleistungen in Anspruch und kauften preiswerte subventionierte Waten ein. Die Region Berlin-Brandenburg habe in der Zeit der Spaltung den Charakter als Verflechtungsgebiet nicht eingebüßt. Dies drückte sich u.a. in den wirtschaftlichen und infrastrukturellen Verbindungen, dem Verkehrsnetz - so wurde bekanntlich die S-Bahn von der ostdeutschen Reichsbahn betrieben -, den kulturellen und auch den verwandtschaftlichen Beziehungen aus. Michael Lemke nannte als Beispiele die in den 50er Jahren offiziell geduldeten Grenzgänger und die Tatsache, dass damals ein Drittel aller Studenten an den Westberliner Universitäten aus dem Osten kam. Er sprach von einer „gemischten“ Gesellschaft, die es in anderen Regionen nicht gab. Der Historiker bedauerte, dass wichtige Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet dem Rotstift zum Opfer gefallen sind. Er regte einen Arbeitskreis „Berlin-Brandenburg im Kalten Krieg“ an, um die Bemühungen zu bündeln. Der zweitägige Workshop wird heute mit Beiträgen über die einzelnen Projekte fortgesetzt. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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