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Kultur: „Das dritte Konzerthaus Berlins“

Der Nikolaisaal feiert heute sein zehnjähriges Jubiläum – Ein Gespräch mit der Geschäftsführerin Andrea Palent

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Frau Palent, wer Sie kennt, weiß, dass Sie beruflich der Zeit immer schon mindestens ein Jahr voraus sind, weil das die Programmplanungen für den Nikolaisaal und die Musikfestspiele Sanssouci so erfordern. Wie präsent ist da bei Ihnen überhaupt das zehnjährige Nikolaisaal-Jubiläum, das an diesem Wochenende gefeiert wird?

Im Grunde war es im vergangenen Jahr für mich viel stärker präsent als heute. Denn da habe ich zusammen mit Astrid Weidauer, verantwortlich für die Dramaturgie und die Pressearbeit, das Jubiläumsprogramm geplant. Und in dieser Zeit haben wir die vergangenen zehn Jahre auch sehr intensiv reflektiert. Aber ich bin mir ganz sicher, dass mich im Zuge der Feierlichkeiten an diesem Wochenende das Jubiläum sehr persönlich und auch ganz emotional berühren wird.

Und wie fällt Ihr Fazit aus nach zehn Jahren Geschäftsführung der Musikfestspiele Sanssouci und Nikolaisaal Potsdam gGmbH?

Für mich ganz persönlich blicke ich im Spannungsbogen zwischen Dankbarkeit und Freude auf diese zehn Jahre zurück.

Nur mit Dankbarkeit und Freude? Das klingt doch zu harmonisch bei den finanziellen Schwierigkeiten, mit denen der Nikolaisaal zu kämpfen hat und der anhaltenden Ignoranz seitens der Politik.

Wissen Sie, diese negativen Seiten vergisst man immer sehr schnell, weil das Unternehmen Nikolaisaal sehr erfolgreich arbeitet. Was mich aber immer wieder sprachlos macht, ist die fehlende Anerkennung für diesen Erfolg. Im Gegenteil, uns wird immer nur Geld weggenommen. Und jetzt, wo wir es wirklich brauchen, weil wir durch die Tarifsteigerungen einen Fehlbetrag von 40 000 Euro haben, kommt kein Signal. Es herrscht bei den Verantwortlichen wohl scheinbar die Einstellung: Die Palent macht das schon. Und obwohl Fachleute und Wirtschaftsprüfer seit nunmehr schon einem Jahr immer wieder sagen, dass es so nicht mehr geht, passiert einfach nichts. Da lässt man uns leider hängen.

Und nicht nur da.

Da ist die Kinder- und Jugendarbeit, wo ja die Kammerakademie Potsdam so aktiv ist. Trotzdem brauchen wir unbedingt einen Konzertpädagogen im Haus. Immer wieder hört man von offizieller Seite, dass die kulturelle Bildung ja ein solches Herzstück der Kulturförderung sei. Aber alle Anträge, die wir stellen, werden abgelehnt. Und egal, wen ich von der öffentlichen Hand anspreche, keiner will uns unterstützen. Das ist etwas, was uns sehr traurig macht. Noch kompensieren wir das, so gut wir können. Aber das überfordert unser Stundensoll erheblich.

Und das löst bei Ihnen neben der Traurigkeit nicht auch Frustration oder Resignation aus?

Ich bin nicht so ein Mensch, der da resigniert. Ich spreche das immer und immer wieder an. Vielleicht müssen wir erst ein wirklich schlechtes Jahr haben, damit das bei den Verantwortlichen erkannt wird. Aber das kann und das will ich auch nicht. Denn damit würden wir nur der Stadt schaden und auch das Vertrauen unserer Besucher verletzen. Ich sage zu unseren Mitarbeitern immer, dass wir ja vielleicht jetzt ein besonderes Geburtstagsgeschenk bekommen. Vielleicht wartet da schon die große Überraschung auf uns.

So wie Sie das sagen, klingt es eher nach Galgenhumor, als dass Sie wirklich eine solche Überraschung erwarten.

Ja, ich weiß, denn ich glaube es ja auch nicht.

Aber Sie haben wenigstens eine Überraschung für die Besucher des Nikolaisaals.

Vor zehn Jahren, während der Bauarbeiten am Nikolaisaal, haben wir heimlich Bilder gemacht, die wir nun in einer Ausstellung im ganzen Haus zeigen. Da entsteht eine ganz besondere Spannung zwischen diesen Bildern von der Baustelle und dem Heute.

Und wie war das für Sie, als Sie diese zehn Jahre alten Bilder wieder angeschaut haben?

Mir ist dadurch wieder einmal bewusst geworden, wie sehr der Nikolaisaal mein ganz persönliches Leben verändert hat. Allein schon die schwierigen Startbedingungen. Denn niemand kann sagen, dass unsere neue Betreibergesellschaft geliebt wurde, als wir hier angefangen haben. Die Brandenburgische Philharmonie Potsdam war damals erst Mitbewerber und wurde dann auch noch abgewickelt.

Wie kamen Sie ausgerechnet zum Nikolaisaal?

Ich bekam einen Anruf vom damaligen Kulturdezernenten Claus Dobberke, der mich fragte: Frau Palent, wollen Sie nicht mal ein Konzept für die Betreibung des Nikolaisaals schreiben? Das war im Dezember 1998. Wir hatten zehn Tage Zeit. Und im März 2000 waren wir dann die neuen Betreiber. Zu dem Zeitpunkt war ich noch beim Hans Otto Theater, also bei der Stadt angestellt. So hatte ich in kürzester Zeit für mich persönlich auch sehr einschneidende Entscheidungen zu treffen. Was mache ich denn jetzt? Wo will ich denn nun eigentlich weiterarbeiten? Ich habe aber auch die große Chance erkannt, die der Nikolaisaal geboten hat. Wir haben dann eine Lösung gefunden, ich konnte schnell hierher wechseln und musste dann erst einmal die Ärmel hochkrempeln, um das umzusetzen, was wir in unserem Konzept angedacht hatten.

Wie sah diese erste Arbeit aus?

Die ist lange Zeit gleich geblieben. Von den zehn Jahren sind wir bestimmt acht Jahre lang tagtäglich durch die Mühen der Ebene geschritten.

Und wie muss man sich diese „Mühen der Ebene“ in der täglichen Arbeit vorstellen?

Das Konzept, das am Anfang ja nur Theorie war, mit Leben zu füllen. Also jeden Tag am Schreibtisch sitzen und ganz artig, ganz fleißig und zielstrebig an dieser Umsetzung arbeiten. Mittlerweile lebt dieses Konzept im Wesentlichen. Und von unseren 12 Mitarbeitern sind sieben Pioniere der ersten Stunde noch immer mit dabei. Für eine solche Unterstützung bin ich unglaublich dankbar.

Sie haben Ihre Arbeit begonnen, als der Nikolaisaal noch Baustelle war. Oft hört man von solchen Projekten, dass die zukünftigen Betreiber in dieser Phase kein Mitspracherecht haben und danach mit den großen und kleinen Problemen zu kämpfen haben. Wie war das bei Ihnen?

Da haben wir uns nichts aus den Händen nehmen lassen. Und glauben Sie mir, wir waren sehr unangenehm und sehr zielorientiert. Denn uns war von Anfang an klar, wenn der Nikolaisaal nicht diese Funktionalität haben wird, wie wir uns das vorstellen, wird es nicht funktionieren. Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann bin ich auch sehr durchsetzungsfähig.

Was nicht jedem gefällt.

Ja, dafür wurden wir viele Jahre nicht geliebt. Aber das ist, ehrlich gesagt, auch egal.

Als Sie mit dem Nikolaisaal begonnen haben, gab es da auch skeptische Stimmen?

Viele Bekannte aus dem Musikgeschäft haben 1999 Zweifel gehabt, ob das mit dem Nikolaisaal funktioniert, hier direkt am Rande von Berlin. Manche haben mich sogar gefragt, ob ich wahnsinnig bin. Vor kurzem habe ich ein Interview in Berlin gegeben. Und dort wurde der Nikolaisaal als drittes Konzerthaus Berlins bezeichnet. Also, das war keine Einschätzung von mir! Da habe ich dann doch gestaunt, dass manche unser Haus mittlerweile in dieser Dimension sehen. Aber dann habe ich auch gedacht: Tja, da haben wir doch was geschafft.

Was hat eigentlich Ihre Familie zu dieser fast grenzenlosen Leidenschaft Nikolaisaal und Musikfestspiele gesagt?

Vor allem meine Kinder haben mir spätestens nach zwei Jahren gesagt: Mutti, es gibt auch noch mehr als den Nikolaisaal! Und da haben sie ja auch Recht. Aber sie wussten auch, wie wichtig dieses Projekt für mich ist und da haben meine Kinder und mein Mann hinter mir gestanden.

Überrascht es Sie eigentlich noch, dass so viele Veranstaltungen im Nikolaisaal fast immer ausverkauft sind?

Ja, immer wieder und jeden Tag aufs Neue bin ich erstaunt, wie gut das vor allem im Foyer angenommen wird. Am Anfang hatten wir da die Kleinkunst, dann Lounge und N-House, wo es richtig zur Sache ging. Da haben wir wirklich sehr viele Experimente gemacht, um zu dem jetzigen Ergebnis zu kommen. Diese enorme Anerkennung durch das Publikum erleben wir ja erst seit drei Jahren. Und wenn das Foyer mal nicht richtig voll ist, dann fehlen uns, ganz ehrlich, die Antworten darauf.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Unter dem Motto „Rosen für alle!“ feiert der Nikolaisaal am heutigen Freitag ab 19 Uhr sowohl im Saal als auch auf der Wilhelm-Staab-Straße seinen 10. Geburtstag. Am morgigen Samstag spielt um 19 Uhr die Kammerakademie Potsdam zusammen mit Albrecht Meyer in der Reihe „Stars international“ und am Sonntag ist das Konzerthaus ab 14 Uhr für den Familiensonntag geöffnet. Weitere Informationen unter www.nikolaisaal. de

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