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Kultur: Das Findbuch

Karl Heinrich Schäfers Nachlass aufgearbeitet

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Der Weg zwischen gelebtem Leben und geschriebener Biographie ist manchmal sehr lang. Zwar erschien der Name Karl Heinrich Schäfer 1983 auf einem DDR-Plakat unter „Potsdamer Widerstandskämpfer“, doch wegen seiner religiösen Motivation an letzter Stelle. Seinen Leistungen als Historiker und Archivar am Preußischen Reichsarchiv Potsdam konnte man damals ohnehin nicht viel abgewinnen. Was ihn interessierte – eine mittelalterliche Hochkultur vor Hohenzollern und Reformation in der Mark Brandenburg – lag außerhalb des Geschichtsbegriffs jener Tage.

Nach 1990 rückte er ins Interesse des Historischen Instituts der hiesigen Universität. Heinz-Dieter Heidmann und Peter Riedel nahmen sich seiner an. Ab 1993 gab es im Potsdam-Museum eine von Riedel betreute Ausstellung zu Leben und Werk des Reichsarchivrates. Eine Biographie liegt bis heute nicht vor, seine gleichfalls in Potsdam wohnende Tochter hütete den umfangreichen Nachlass bis 2006 mit Argusaugen: 650 Bände der Bibliothek, 1600 Dokumente, dazu das Mobiliar bis zum opulenten Ess-Service, denn Schäfer veranstaltete in Potsdam regelmäßig „Tafelrunden“. Nicht allein Ufa-Star René Deltgen und der Dichter Reinhold Schneider saßen bei ihm zu Tisch; das Gästebuch blieb erhalten.

„Da wurde kein Sessel verschoben“, sagte Heinz-Dieter Heimann bei der Präsentation eines recht ungewöhnlichen Dokumentes, das jetzt im Pater-Bruns-Haus vorgestellt wurde. Mit entscheidender Hilfe von Benjamin Gallin, Absolvent der Uni Potsdam, ist es nun gelungen, den hier verbliebenen Teil von Schäfers Nachlass archivarisch aufzuarbeiten. „Findbuch“ nennen sie ihr vom Innenministerium geförderte Werk in zehn Exemplaren. Nachfolgende Forscher sollen darin finden, welche Bücher in der Bibliothek des so charismatischen wie streitbaren Mannes standen, mit wem er korrespondierte, was an persönlichen Dingen von ihm vorhanden ist, wo man seine vielseitige Publizistik, besonders zur Heimatgeschichte, erreicht. Mag die Broschur auch einen trockenen Eindruck machen, so wäre das Arbeitsteam hellauf begeistert und bereit, auch den im Berliner Diözesanarchiv lagernden Teil dieses Nachlasses aufzuarbeiten, wenn sich Gelder auftreiben ließen. Erst dann, so war zu hören, hätte man das Material, um endlich die ganze Lebensgeschichte von Karl Heinrich Schäfer zu schreiben. St. Peter und Paul, Partner dieses Projektes, erhofft sich seinerseits eine Rückkehr von Wissen: Schäfers Dokumente können das durch Zerbombung verlorengegangene Archiv der katholischen Gemeinde zwischen den Kriegen ergänzen.

Bis dahin diese Daten: 1871 in Hessen geboren, Studium von evangelischer Theologie und Geschichte, 1896-1899 Hauslehrer bei der Bornstedter Pfarrersfamilie Pietschker, Katholik seit 1902 mit Verlust der Anstellung beim Stadtarchiv Köln, Soldat im Kriege, 1920 ans Reichsarchiv nach Potsdam berufen. Hatte er mit Fünfzig die erste Festanstellung seines Lebens, so heiratete er nun in eine luxemburgische Industriellenfamilie ein, die Tochter Renate wurde geboren. 1934 aus ideologischen Gründen vor der Altersgrenze entlassen, verhaftete man das Ehepaar 1943 wegen Hören eines Feindsenders. Seine Frau kam wieder frei, sie starb in den Siebzigern, Schäfer 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Gerold Paul

Gerold Paul

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