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Kultur: Das Gefühl von Angst, Trauer und Wut

Gisbert Näthers Requiem erklingt am Donnerstag in der Friedenskirche

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Gisbert Näthers Requiem erklingt am Donnerstag in der Friedenskirche „Tränenvollster aller Tage, wenn die Welt der Asch“ entsteiget, sündvoll sich dem Richter neiget. Herr, dann wolle ihr verzeihen, treuer Jesu, Weltenrichter, sel“ge Ruhe ihr verleihen!“ (Aus dem Requiem) Als Gedenken an die Toten und als eine Anklage gegen Gewalt schrieb der Potsdamer Komponist Gisbert Näther vor zwölf Jahren das Requiem. Am Donnerstag wird es nun in überarbeiteter Fassung zum dritten Mal in der Friedenskirche Sanssouci erklingen und an den 60. Jahrestag der Zerstörung Potsdams erinnern. Der Musiker und Tonsetzer ging bei diesem Werk, das er zur 1000-Jahr-Feier Potsdams ehrenamtlich komponierte, seinen ganz eigenen Weg. „Sehr bewusst löste ich mich von den vielen Requiem-Vorbildern, die es bereits gibt.“ Dieses Ausblenden sei ihm keineswegs schwer gefallen. „Ich spiele auch als Hornist beim Filmorchester Babelsberg und bei den Potsdamer Turmbläsern sehr unterschiedliche Werke, doch viele merke ich mir gar nicht. Ich kann mich als Komponist sehr gut im eigenen Fahrwasser bewegen.“ Dem Requiem näherte er sich von der inhaltlichen Seite. „Ich versuchte mir vorzustellen, wie sich der einzelne Mensch in diesen Apriltagen des Jahres 1945 gefühlt haben mag: seine Angst und der Schrecken während der Bombardierung, dann die Trauer um den Verlust von Angehörigen. Und sicher kam auch Wut dazu, über die Sinnlosigkeit, noch in den letzten Kriegstagen die Altstadt zu zerstören, was so viele zivile Opfer forderte.“ Obwohl es kein einfaches Stück sei, habe der 1948 im sächsischen Ebersbach geborene und seit 1975 in Potsdam lebende Komponist versucht, die Zuhörer mitzunehmen, sie emotional anzusprechen. „Ich komponiere immer mit inhaltlichen Bezügen und nicht des Experimentes wegen.“ Allein durch die sehr eigenwillige Besetzung mit Chor, Harfe, Orgel, Schlagwerk und Blechbläser sei es ihm möglich gewesen, eine polytonale Klangsprache zu finden, die nicht so traditionell, aber doch sehr stimmungsdicht sei, wie ein Rezensent zur Uraufführung schrieb. „Der Chor ist von der ,Melodieführung“ recht schlicht gehalten. Ich habe direkt auf den Vokalkreis Potsdam hin gearbeitet, der zwar ein sehr gutes Ensemble, aber auch ein Laienchor ist.“ Nicht nur der Vokalkreis entspricht der Besetzung zur Uraufführung 1993: Unter der Leitung von Matthias Jacob sind auch der Bariton Jörg Gottschick und die Harfenistin Cornelia Büttner erneut zu erleben. Mit dabei sind ebenfalls wieder die Potsdamer Turmbläser – allerdings ohne Gisbert Näther, der an diesem Tag viel zu aufgeregt wäre, um sich auf sein Horn zu konzentrieren. Klaus Büstrin wird als Sprecher die einzelnen Musikteile mit Texten verbinden: Augenzeugenberichte von der Zerstörung, Texte von Bonhoeffer und Klepper sowie aus der Bibel. Neu im Mitwirkendenkreis ist Christian Deichstetter an der Orgel. Gisbert Näther, der bereits auf 135 Kompositionen verweisen kann, hat immer mal wieder durch seine Werke dem Potsdamer Konzertleben Glanzlichter aufgesteckt. Besondere Ereignisse, wie die Einweihung des Nikolaisaals oder die Orgelweihe in der Friedenskirche krönte er mit seinen Schöpfungen – Kunst im eigenen Auftrag. Sein Brot verdient er indes mit seiner Arbeit im Filmorchester. Jedenfalls bislang. Die Ungewissheit, ob es weiter gehe, sei für ihn momentan die schlimmste Belastung. „Immer wieder sind wir von der Politik hingehalten worden, fehlte ein Konzept zur Orchesterlandschaft. Ich möchte endlich Klarheit – egal wie.“ Auch bei der Kulturhauptstadtbewerbung sei zu wenig auf die eigene Substanz, die eigenen Leute geschaut worden, kritisiert Gisbert Näther. Welche Potenz sie haben, wird das Konzert am Donnerstag um 21.30 Uhr erneut unter Beweis stellen. Heidi Jäger

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