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Potsdamer Premiere "Das Gewicht der Ameisen"

© Thomas M. Jauck

„Das Gewicht der Ameisen“: So war die jüngste Premiere am Hans Otto Theater

Schule und Gesellschaft werden im jüngsten Jugendstück des Hans Otto Theaters miteinander verknüpft – mal grotesk, mal zynisch, auf jeden Fall rasant. Nur: Die Idee geht im Getöse viel zu schnell unter.

Von Astrid Priebs-Tröger

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Schule ist immer ein Abbild der Gesellschaft, in der sie stattfindet. In Catharina Fillers Inszenierung von „Das Gewicht der Ameisen“ von David Paquet, die am Samstagabend in der Reithalle des Hans Otto Theaters zur Premiere kam, ist sie eine schwarz glänzende Bühne mit einer darüber hängenden abstrakten Schrottplastik.

Noch im Dunkeln ertönt eine laute Klingel und die atemlose, bitterböse und komische Show – aus Demokratiesimulation und Kostümball – nimmt ihren Lauf. Den sechs Studierenden der Filmuniversität Babelsberg – sie sind dem Schulbetrieb selbst noch nicht lange entwachsen – fällt es leicht, in die Rollen von Schülern, ihren Sprechern, der Hausmeisterin und des Direktors zu schlüpfen.

Die überaus vollgepackte Sprech- und Spielvorlage des kanadischen Autors ermöglicht es ihnen, den Mikrokosmos Schule mit dem Makrokosmos Gesellschaft assoziativ, aber auch grotesk und manchmal zynisch miteinander zu verknüpfen.

Im Mittelpunkt der rasanten Inszenierung stehen die beiden 15-Jährigen Jeanne (Emma Falck) und Olivier (Manuel Leuchtenberg). Sie ist sehr wütend und er sehr sensibel. Beide verdonnert der resignierte Schuldirektor (Laurids Schürmann) dazu, als Schülersprecher zu kandidieren.

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Während sie sich mit der Weltverzweiflung von Jugendlichen überlegen, wofür sie stehen und wofür sie eintreten wollen, präsentiert der Direktor einen dritten Kandidaten, der einfach „Pizza für alle“ verspricht. Das ist im Angesicht einer Welt, in der an jeder Ecke andauernd Katastrophen hereinbrechen, geradezu ein Schlag ins Gesicht der beiden Enthusiasten, aber auch ein Spiegel, der vielen desillusionierten Erwachsenen vorgehalten wird.

Letztlich ist es Olivier, der von einer betrunkenen Buchhändlerin eine Enzyklopädie unnötigen Wissens bekommt und damit seinen Optimismus-Muskel trainiert – und der zusammen mit Jeanne die Kraft von Solidarität und Gemeinschaft entdeckt.

Das ist eine wunderbare Idee, die aber in dem oft atemlosen Getöse – eindringlich sind Situationen wie der Erde-Alptraum, der Altenheimbericht oder die Barbie-Beichte – leider viel zu schnell untergeht. Und die auch am Ende nicht richtig zum Tragen kommt. Denn dieses großartige Bild vom Gewicht der Ameisen sollte – anstatt von ,Scheiß auf alles!’ noch nachdrücklicher in unser aller Köpfen verankert werden.

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