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Kultur: Das Glück kommt von allein

Poetisch, verträumt, witzig: die Hans-Otto-Theater-Premiere von „Aladin“

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Poetisch, verträumt, witzig: die Hans-Otto-Theater-Premiere von „Aladin“ Er hat viel Glück, der kleine Mann mit den weiten Hosen und dem Käppchen auf dem Kopf. Der Nichtsnutz Aladin tobt lieber mit seinem Freund Nuri durch die Straßen, als seiner Mutter den schweren Korb zu tragen. Er will lieber etwas ganz Großes werden, als sich mit kleinen Dingen des Lebens abzugeben, Großfürst vielleicht oder Sultan. Und doch: Sein naiver, für einen armen Schneidersohn fast an Größenwahn grenzender Traum wird in der Geschichte von Scheherazade belohnt, in dem Märchen aus 1001 Nacht ist er der Held im Kampf gegen den bösen Zauberer. Und gewinnt dazu noch die Liebe der wunderschönen Prinzessin Badrelbudur. Eng lehnt sich die zauberhafte Welt, die am Donnerstag zur Premiere von „Aladin und die Wunderlampe“ im Hans Otto Theater ihre Tore öffnet, an die überlieferte Geschichte an. Regisseur Yüksel Yolcu zeichnet das Märchen in poetischen Bildern nach, die ein Sehgenuss sind. Nicht zuletzt die Masken, die sich die Darsteller über die Gesichter ziehen, tragen dazu bei. Nach wenigen Momenten fühlt sich das Publikum in arabische Ferne getragen (Ausstattung: Gabriella Ausonio/ Antje Sternerg). In die Welt des Aladin. Leuchtende Sterne ziehen über den Abendhimmel. Warmgelbe Häuserfassaden stehen auf der Bühne, im Hintergrund eine Palme, hoch oben der runde Mond. Sanft gezupfte Töne fallen in den Raum, ein Imam singt, eine Flöte spielt aus dem Off. Das Stück kann beginnen. Die Geschichte ist märchenhaft einfach, die Rollen von Gut und Böse sind klar verteilt. Anders aber als bei den Grimmschen Märchen pendelt kein pädagogischer Zeigefinger wie ein Damoklesschwert über der Geschichte. Aladin (Niels Heuser) hat ein gutes Herz, aber er ist faul und verträumt – sein Glück ist zufällig, es kommt, wenn es gebraucht wird. Das transportiert auch das Stück. Nur Mut braucht der kleine Mann, um seinem Traum zu leben. Simpel und trotzdem feinfühlig sind die Figuren gestrickt, die mit ihren Masken wie Marionetten ohne Fäden wirken. Die Spieler sind verdammt ohne Mund und Augen zu spielen, ohne Lachen und Weinen. Alles hängt von der Sprache ihres Körpers ab: Aladin scheint mit seiner Energie und Leichtigkeit durch das Geschehen zu schweben. Die dunkle Gestalt der Mutter geht tief gebeugt vor Sorgen. Wie der schwächliche König im goldenen Gewand, der allein um das Wohl seiner Tochter und seinen Reichtum besorgt ist. Seine zittrigen Arme heben sich zu seiner sich überschlagenden Stimme. Nuri, der verlassene Freund, läuft mit leicht hochgezogenen Schultern herum. Besonders schön tritt die Prinzessin auf. In blauem Kleid trippelt sie über die Bühne, Arme und Beine wie eine Aufziehpuppe bewegend. Die Maske schafft Distanz zwischen Darstellern und Publikum. Ohne dabei jedoch das Identifizieren, das Mitfühlen zu verhindern. Das Stück wirkt entrückt. Und dennoch lässt sich das Publikum von der Geschichte davontragen. Leicht überzeichnet ohne aber lächerlich zu wirken, höchstens lustig, agieren die Figuren. Ein witziges Bild beispielsweise, als das Pferd der Prinzessin, das sie selbst trägt, nicht weiter läuft und von den Dienern mit Zucker geködert werden muss. Seinen besonderen Schliff aber bekommt das Stück erst durch das Trio am rechten Bühnenrand, die Band Bayon. Mit Cello, Klarinette, einem Zupfbrett und Trommeln zaubern die Musiker orientalisches Flair, unterstreichen Bewegungen, schaffen Spannung. Stimmig, leichtfüßig und märchenhaft schön erzählt dass Ensemble das Stück. Nur plötzlich, nach der Pause, beginnt es zu rasen, so dass sich das Publikum überraschend im Happy End wiederfindet. Die Story – von Aladins Befehl an die Geister, ein Schloss zu bauen, über die Entführung von Badrelbudur bis zu einem bunten, lebendigen Hochzeitstanz, der von den Kindern mit großem Applaus und Zugaberufen begleitet wird – ist in den zweiten Teil des Stücks gepresst. Auf Kosten der Figur Aladin. Der Wandel vom Taugenichts zum Prinzen vollzieht sich fast unbemerkt. Marion Hartig

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