Kultur: Das große Gemeinschaftsgefühl
„Peters Hochzeit“ – ein Singspiel im Volkston zu den Musikfestspielen im Schlosstheater aufgeführt
Stand:
Ich singe. Er soll singen. Wir singen alle. Am laufenden Band wird ein Lied angekündigt. Und jeder singt frisch drauflos. Die Bauern, Fischer und Seeleute in irgendeinem Ort Dänemarks Ende des 18. Jahrhunderts scheinen musikalische Leute zu sein. Jedenfalls bei Johann Abraham Peter Schulz. Der aus Deutschland stammende Hofkapellmeister des dänischen Königs Christian VII. und Komponist war ein Wegbereiter des nationalen dänischen Singspiels.
Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci, die sich bekanntlich immer wieder auf unbekannte Bahnen begeben, stellten in zwei Vorstellungen am Freitag und Samstag im Schlosstheater im Neuen Palais im Rahmen ihres diesjährigen Skandinavien-Ausflugs das 1793 komponierte Singspiel „Peters Hochzeit“ (Peters Bryllup) von Johann Abraham Peter Schulz vor. Der künstlerische Leiter des Orchesters l’arte del mondo, Werner Ehrhardt, entdeckte das Singspiel und hat es mit Unterstützung von Bayer Kultur neu ediert. Nach den Potsdamer Aufführungen wird das Singspiel-Ensemble unter anderen bei einem Opernfestival in Kopenhagen zu Gast sein, also an den Ort, wo das Werk seine Uraufführung erlebte.
Lieder im Volkston zu schreiben, war Johann Abraham Peter Schulz‘ Anliegen. Seine Musik in „Peters Hochzeit“ ist so einfach gedacht, dass sie schon wieder als originell durchgehen kann. Sie erlangte bei den einfachen Menschen im Königreich Dänemark hohe Bekannthei und Beliebtheit. Nach dem Hören der zweiten Strophe hätte wohl jeder der Zuschauer bei einigen Piecen mitsingen können. Neben der liedhaften und oftmals wenig opernhaften Musik steht aber einer Verbreitung des Stücks auch Thomas Thaarups dramaturgisch ungelenkes Libretto im Weg.
Im Singspiel bleibt der Adel draußen, es kommen nur einfache Menschen ins Bild, die zumeist mit Fleiß zu einigem Wohlstand gelangten. Die Bauern und Seeleute sind sehr gläubig und haben ein patriotisches Herz für ihren König, dem sie eine Reihe von liberalen Reformen im Sinne der Aufklärung verdanken. So sind viele ihrer Lieder durchdrungen von der Huldigung des Monarchen. Schulz und Thaarup wollten Gutmenschen und einfache Geschichten auf die Bühne bringen. Da wird von der Treue der jahrelang wartenden Braut Grethe zu ihrem Bräutigam Peter, einem Kapitän, erzählt, vom intakten Zusammenleben von Eheleuten, der Versöhnung zerstrittener Nachbarn oder von der Hoffnung einer vollständigen Abschaffung der Sklaven.
Die Sorgen und die Freuden werden gemeinsam erlebt. Und immer wird das große Gemeinschaftsgefühl besungen. Wäre da nicht der Lehrer Frederik. Mit ihm wird das Singspiel erst zu einem interessanten Bühnenstück. Die junge Regisseurin Isabel Ostermann hat in ihrer Inszenierung aus dem Lehrer einen Revoluzzer gemacht, der die dörfliche Idylle mit seinen neuen Gedanken stört und somit als Außenseiter betrachtet wird. Damit versucht die Inszenierung ins Heute einzudringen. Mit den Parolen gegen den Kulturabbau, gegen die Verblödung der Massen, gegen das Monopol der Krankenkassen. Manch Bewohner hat ein Ohr dafür.
Doch das Gemeinschaftsgefühl, so wie es die einflussreichen Brüder Hans und Henrik Jensen vorschreiben, siegt. Nur solche Veränderungen sind gültig, wie sie von oben, also vom König, vorgesehen sind. So die Perspektive der Dorfbewohner. Nachdem Frederik eine ordentlich Abreibung durch die Dorfbewohner erhält, verläuft alles wieder in seinen ordentlichen Bahnen. Frederik wird in die Gemeinschaft wieder aufgenommen. Isabel Ostermann kommt ohne große Modernisierungsmätzchen aus. Manches wird stilisiert angedeutet, es gibt kleine ironische Brechungen und eine sehr bewegliche Personenregie, die das Leben der Dorfbewohner intensiv verdeutlicht. Die Hafen-Szenerie wird entscheidend durch das stimmungsvolle Bühnenbild und die farblich fein abgestimmten Kostüme von Corinna Gassauer sichtbar gemacht.
Das fabelhaft musizierende große Sängerensemble sowie Vokalensemble und Orchester l’arte del mondo unter dem Dirigat von Werner Ehrhardt kamen dieser Musik auf vorbildlich unprätentiöse Art bei. Hier wurde nicht versucht, etwas in die Musik hineinzulegen, sondern alle Potenziale des transparenten Satzes setzte man schwungvoll in Klang um. Ehrhardt führte die Sängerinnen und Sänger und die Orchestermusiker elegant und mit lebhaften Akzenten durch die kurzen, konzis angelegten Sätze. Alle klanglichen Subtilitäten wurden filigran herausgearbeitet. Auch in Bezug auf die Tempogestaltung ist hier alles dynamisch und flexibel gestaltet. Schulz‘ Volkston blieb stets erhalten.
„Peters Hochzeit“ wird mit Sicherheit nicht die Spielpläne deutscher Theater erobern. Aber es ist ein bemerkenswertes Dokument der Musikgeschichte. Das dankbare Publikum im Schlosstheater hatte es auch so verstanden.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: