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Faszination Koi. Jörn Grothkopp hat ein Faible für Koi-Karpfen: Das, was den Fisch einzigartig macht, lässt ihn in der Masse verschwinden. Die Farbe Weiß spielt dabei eine wichtige Rolle – ist sie doch aussagekräftiger als das Kohleschwarz der Grafiker.

© Andreas Klaer

Kunst im Museum Fluxus: Das Koi-Paradoxon

Der Berliner Maler Jörn Grothkopp zeigt seine Fisch-Bilder im Museum Fluxus.

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Manchmal zerstört ein Teil der eigenen Identität die – naja, die eigene Identität. Klingt paradox? Ist es auch, und genau das ist es wohl, was Jörn Grothkopp so an den Koi-Karpfen fasziniert: Ihre bunten Flecken lösen die Form des einzelnen Fisches auf. Guckt man auf einen Schwarm, wird es schwer zu unterscheiden, wo ein Karpfen anfängt und ein anderer aufhört. Das, was jeden Fisch einzigartig macht, lässt ihn in der Masse verschwinden.

In seiner Ausstellung im Museum Fluxus hängen die ganz alten und die ganz jungen Koi-Bilder nebeneinander. Und lenken den Blick damit umso stärker auf die befreiende Macht, die in so einer Identitätsauflösung liegen kann. Schwerelos leuchtend bewegen sich die Fischschwärme durch seine Bilder. Dunkel wie tiefe Teiche waren die noch vor 13 Jahren, lichthell sind sie heute. „Ich wollte irgendwann weg von den dunklen Hintergründen, vor denen alles wie Licht erscheint“, sagt der junge Berliner Maler. Auf seinen neueren Bildern bewegen sich perlmuttfarbene Karpfen durch eine weiße Welt – nur ihre roten Flecken geben ihnen Gewicht. Und gleichzeitig entwickelt ihr Muster so ein Eigenleben. Es hilft dem Auge, den Koi noch zu erkennen - und löst es doch vom eigentlichen Gegenstand. „Das ist wie eine kleine Zwangskur im abstrakten Sehen“, sagt Grothkopp und grinst. Genau darum geht es ihm: Die Dinge vereinfachen, immer weiter reduzieren – aber nicht, ohne dabei eine Formel zu finden, die trotzdem noch die ganze Fülle an Information enthält. Und so sind seine Bilder schnell lesbare Chiffren. Ganz leicht wirken sie auf den ersten Blick. „Wer aber länger hinsieht, für den fächert sich die ganze Komplexität wieder auf“, sagt er.

Was er damit schafft, sind meditative Bilder, „das Kontemplative interessiert mich mehr, als mich zu pushen“. Wer länger hinsieht, sagt er, der spürt dann irgendwann die Kraft, die darin liegt. „Wir spiegeln uns in dem, was wir sehen.“

Das klingt ein wenig nach Zen-Buddhismus, ja. Und dazu passt wiederum die japanische Ästhetik, die all seinen Ölbildern eigen ist. „Da gibt es keine Zentralperspektive, um den Raum zu klären.“ Um das Dreidimensionale im Zweidimensionalen tatsächlich zu erkennen, brauche es den Kopf. Grothkopp aber mag das Ungewisse.

Kaufen kann man die großformatigen Werke auch, zwischen 4000 und 11 000 Euro kostet eines. „Im Grunde wird es günstiger, je größer das Format ist“, sagt er scherzhaft. Dass er überhaupt Künstler geworden ist, hat er der Wende zu verdanken. In der DDR hätte er nicht so einfach studieren können. Von den fünf, sechs Plätzen, die es an der Kunsthochschule in Dresden gab, seien drei meist schon an Bewerber aus der Nomenklatura vergeben gewesen, um die restlichen drei bewarben sich im Schnitt 500 Studenten. Und selbst wenn es geklappt hätte: „Ich kannte ja Maler, die noch zu DDR-Zeiten so um die 40 Jahre alt waren. Die hatten Brot und Marmelade auf dem Tisch, morgens, mittags und abends.“ Einen Markt für Bilder habe es nicht gegeben. Und auch heute sind die Menschen, die Grothkopps Bilder kaufen, meistens im Westen sozialisiert. Fast klingt es, als wolle er sich dafür entschuldigen: „Ich komme ja selbst daher.“

Doch dann kam die Wende – und Grothkopp bekam den Studienplatz in Dresden. Zuletzt war er dort Meisterschüler bei Max Uhlig. „In seiner Klasse war ich aber immer eine Art Außenposten: Die Bilder der anderen sahen irgendwann aus wie die des Professors – meine nicht.“ Von den wuchtigen Radierungen Uhligs etwa sind Grothkopps zart schimmernde Welten weit entfernt.

1997 fing er dann mit den Koi-Karpfen an. Dass sie ihn bis heute faszinieren, findet er gar nicht so ungewöhnlich. Ihre ganz einfache Form einer Spindel gefällt ihm, ganz besonders aber in Kombination mit ihren ornamenthaften Flecken, die mit dem jeweils nächsten Fisch Kontakt aufnehmen und so dann das Koi-Paradoxon ergeben. „Meist ist es gar nicht das Thema, der Gegenstand an sich, der mir bildwürdig erscheint.“ Er ist angefixt, wenn die einzelnen Teile eines Bildes in einer spannenden Beziehung stehen.

So wie die Quallen, dem einzigen anderen Motiv in der Ausstellung. Durch ein tiefes Blau treiben sie, als Betrachter fühlt man sich schnell als Taucher, der nur noch die Hand ausstrecken muss, um nach ihren Tentakeln zu greifen. Als er die Ausstellung im Fluxus aufbaut, testet er zigfach einen zusätzlichen Effekt: Das grelle Deckenlicht, das die Werke normalerweise schattenlos ausstrahlt, wird ausgeschaltet. Jedes Bild wird nur noch von einem Spot angestrahlt, das weichere, leicht gedimmte Licht kitzelt ein ganz bestimmtes Leuchten aus den blassen Farben seiner Bilder.

Die ziehen sich durch sein gesamtes Werk: zarte Frauengesichter, Akte von fragilen Gestalten. Bilder, die wie verwaschene Schnappschüsse von Hochzeiten wirken, schick gekleidete Männer und Frauen, oft mit japanischen Gesichtszügen. Weiße, leer gegessene Teller, auf denen nur noch ein paar Krümel vom gerade beendeten Mahl zeugen. Doch auch dort ist oft alles durchdrungen von diesem Weiß, das jedes Objekt auf ein altes Polaroid zu vebannen scheint. Hinter eine Milchglasscheibe. Oder in eine andere Dimension, eine hell erleuchtete Zwischenwelt.

Weiß, sagen viele, sei die komplexeste Farbe, aussagekräftiger als das Kohleschwarz der Grafiker. Alle Farben sind darin enthalten – und trotzdem wirkt es oft befremdlich leer. Verstörend einerseits, untief und langweilig andererseits. Es steht für Unschuld ebenso wie – eben in Japan - für den Tod. Vielschichtig ist diese Farbe – aber man muss schon eine ganze Weile darauf starren, um das zu erkennen.

Ausstellung vom 1. Februar 2014 bis 4. Mai 2014 im Museum Fluxus, Schiffbauergasse 4f

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