Kultur: Das Leben – zerflossen
Wenn die Realität verwischt: Am Donnerstag hat das Stück „Taxi for the Maxi“ in der fabrik Premiere
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Ein Berg, obendrauf ein Haus, darin eine seltsame „Missy“ mit einem seltsamen Butler. Und wahrscheinlich würden die beiden dort oben leben, bis der Tod sie scheidet – würde da nicht dieser Fremde aufkreuzen und das Haus auf den Kopf stellen. In „Taxi for the Maxi“ ist nichts niet- geschweige denn nagelfest. Das von Buster Keaton, Fred Astaire wie Alfred Hitchcock inspirierte Stück lässt die Grenzen zwischen Realität und Traum schnell verwischen, kündigt die schottische Choreographin Clea Wallis an. Man darf sich das wohl so ähnlich wie die Fließbilder von Salvador Dali vorstellen, surrealistisch eben. Am Donnerstag hat das von Duden Dance und Sven Till (fabrik Company) realisierte Bewegungstheater in der Maschinenhalle Premiere.
Und es ist damit zu rechnen, dass man zunächst vor dem Stück steht wie vor den Dali-Bildern: ziemlich orientierungslos. Den Zuschauern werden mehrere Handlungsebenen auf einmal präsentiert. Filmszenen, zwei männliche Darsteller, die in verschiedene Männer- und Frauenrollen schlüpfen, kurze Musikausschnitte aus dem Off. Es wird viel agiert und interagiert, zwischen den Darstellern, den Filmdarstellern und Darstellern, unter den Darstellern auf der Bühne. Und trotzdem brauche kein Zuschauer zu fürchten, im Chaos zu versinken, sagt Clea Wallis. Nach einigen weniger streng choreographierten, auch leicht improvisierten Szenen läuft alles nach einem genauen Plan auf ein vorherbestimmtes Ende zu. Die Aufführung hat sogar so etwas wie einen inhaltlichen roten Faden: Die Figuren gehen auf eine Reise. Getanzt wird allerdings wenig. Anders als man erwarten könnte – schließlich ist „Taxi for the Maxi“ die erste Aufführung, die in der frisch sanierten Tanzfabrik auf die Bühne kommt. Die Choreographin hat das Stück als Bewegungstheater inszeniert.
Vor einem Jahr hat die Company ihre „Work in Progress“, die auch jetzt, zur Aufführung, noch nicht wirklich fertig ist, begonnen. Die Künstler sahen sich alte schwarzweiß Filme an, die mit ihren Slapstickgeschichten, Varieté und Akrobatik an die Tradition der Vaudeville, der Boulevardtheater, anknüpfen. Sie machten sich auf die Suche nach Charakteren, die sie studierten und zu Protagonisten theatralischer Geschichten werden ließen. Immer wieder begegneten ihnen als Motiv „verkrachte“ Existenzen und sich im Netz von Abhängigkeiten abstrampelnde Menschen. Wie in den „Zofen“ von Jean Genet oder in der Geschichte „Ein amerikanischer Sklave“ von Frederick Douglas. Auch die nämlich hatten einen Einfluss auf das Stück. So wie der Sänger Dean Martin oder Frank Sinatra, die sich in der Musikauswahl wiederfinden. Was die Künstler, die Tänzer, die Filmstars, die Musiker und Literaten aus dem 20. Jahrhundert gemeinsam haben? Sie spiegeln alle eine gewisse Stimmung wider, die sich durch das letzte Jahrhundert getragen hat, sagt die Choreographin. Die etwas mit Blues zu tun hat, mit Melancholie, Romantik, Verträumtheit, Humor – und Unterhaltung.
Das erste Ergebnis ihrer Arbeit präsentierte die Company im September beim Arches Live Theaterfestival in Glasgow. In Potsdam nun wird eine neue, zweite Interpretation der Geschichte zu sehen sein. Fertig ist das Stück aber dann noch immer nicht. Im Herbst wird es eine dritte Version der wohl unendlichen Geschichte mit versprochenem Unterhaltungswert geben. Marion Hartig
Aufführungen in der fabrik am 20., 21. und 23. April um 20.30 Uhr
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