Kultur: Das Leben der Kinder
Das Aktuelle Potsdamer Filmgespräch
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„Das ist wirklich ‘ne gute Frage. Warum bin ich auf der Welt? Das frage ich mich auch manchmal.“ Es ist kein Erwachsener, womöglich in einer Krisensituation, der das sagt – vor der Kamera sitzt der siebenjährige Albrecht in seinem Berliner Kinderzimmer. Wie er es sagt, ernsthaft und unverstellt, lässt keinen Zweifel daran, dass er wirklich darüber nachgedacht hat.
Für ihren Dokumentarfilm „7 oder warum ich auf der Welt bin“, der am Dienstagabend im Filmmuseum in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ vom Filmverband Brandenburg e.V. präsentiert wurde, haben Antje Starost und Hans Helmut Grotjahn sieben Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren aus Berlin, Paris, Bulgarien, Kreta und Ecuador befragt und beobachtet. Entstanden ist ein ebenso zauberhaft-charmanter wie ungewöhnlicher Dokumentarfilm, der uns erstaunliche Einblicke in die Vorstellungs- und Erlebniswelten von Kindern aus verschiedenen Kulturen gewährt.
Dem kindlichen Wesen tiefer auf die Spur zu kommen, war Ansinnen beider Filmemacher bei diesem Projekt, das von der Idee bis zur Fertigstellung der ersten Filmkopie fünf Jahre brauchte. „Ich war neugierig, zu erfahren was Kinder denken, worüber im Alltag nicht gesprochen wird“, antwortete Antje Starost auf die Frage von Moderatorin Jeannette Eggert nach der Ausgangsposition für diesen Film.
Aus über 200 Kindern, mit denen Antje Starost und Hans Helmut Grotjahn sprachen, kristallisierten sich in einem langwierigen Prozess Albrecht und Jonathan aus Berlin, Basile aus Paris, Chrysanthi von der Insel Kreta, Vici und Vivi aus Bugarien und Vanessa aus Ecuador als Protagonisten heraus. Wichtig war den Filmemachern, „nicht klüger als die Kinder daherzukommen“ (Hans Helmut Grotjahn), auf Erwachsene im Film und auf einen Kommentar zu verzichten, und mit den Kindern einen Dialog auf gleicher Augenhöhe zu führen.
Dabei zeigen die Kinder ihren Alltag, was sie gern machen oder sich auch wünschen: Jonathan liebt das Angeln und will später Butler werden, weil er sich dann mit dem beschäftigen kann, was er gern tut. Vanessa muss sich in Ecuardor in der Schule manchmal gegen Rassismus wehren, weil sie indianischer Abstammung ist. Sie träumt vom Reisen und möchte später unbedingt studieren, Apothekerin oder Ärztin werden.
Sie reden aber auch über so schwierige Themen wie Kindheit, Glück, Seele oder Tod. Vici erzählt von ihrem kleinen Bruder, der beim Autounfall verunglückte und von dem sie glaubt, dass er irgendwie weiterlebt, auf sie alle herabschaut und sie beschützt. Die Kamera beobachtet die Kinder dabei, nimmt ihre Bilder auf, zeigt die Orte, die sie lieben.
Dass die jungen Protagonisten ernst genommen werden, ist in jeder Szene spürbar. Was sie von sich zeigen, vermag auch bei Erwachsenen Türen zu lange vergessenen Kindheitsorten aufzustoßen: So etwa wenn der neunjährige Basile sich überschäumend über einen neuen Playmobilbaukasten freut, aus dem er in der nächsten Szene, hochkonzentriert, ein Fahrzeug zusammensetzt. Ein Sinnbild für Lebensfreude und Glück – ausgedrückt, wie diese Gefühle nur von Kindern gezeigt werden können.
Der Film geht auch der Frage nach, welche Gemeinsamkeiten es zwischen Kindern verschiedener Länder und unterschiedlicher Kulturen gibt. Eine Gemeinsamkeit, die sie so nicht vermutet hätte, so Antje Starost: In allen Ländern sind die Kinder in einen straffen, vollen Zeitplan eingebunden.
„Wir wollten einen Film machen, der keine Antworten gibt, aber dafür den Zuschauern die Freiheit und die Zeit für Assoziationen lässt“, betonte Hans Helmut Grotjahn. Die Frage, warum er auf der Welt ist, muss sich also nach diesem Dokumentarfilm, der Kinder ebenso wie erwachsene Zuschauer fesselt, weiterhin jeder selbst beantworten. Gabriele Zellmann
Am Sonntag, dem 27. Februar, ist „7 oder warum ich auf der Welt bin“ um 20 Uhr noch einmal im Filmmuseum zu sehen
Gabriele Zellmann
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