zum Hauptinhalt

Kultur: Das Leben nach dem Kopfschuss

Skulpturen und Reliefs: Fünf Künstler stellen im BVBK ihre Arbeiten aus

Stand:

Wie angenehm ist es doch, in eine Galerie zu kommen, die auf den ersten Blick einen harmonischen Gesamteindruck vermittelt und dennoch den fünf künstlerischen Positionen genügend Platz zum Atmen lässt. Entgegen der bisherigen Gewohnheit des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler ist auch für den Betrachter viel Fläche. Er kann sich ohne Angst, Skulpturen umzuwerfen oder von Bildern erdrückt zu werden, dieser Ausstellung widmen. Die heißt einfach „Skulpturen und Reliefs“ und versammelt Arbeiten aus Holz, Stahl, Draht, Textil und Watte.

Bunt ist dabei keine der Arbeiten, alle sind in Braun-Beige, Weiß-Stahl gehalten. Gegenüber der Eingangstür schauen von weißen Sockeln die „4 Köpfe“ von der in Kiel aufgewachsenen und in der Uckermark lebenden Karin Christiansen dem Besucher entgegen. Blass und stoisch wirken die Männerköpfe, in sich gekehrt. Nicht fröhlich, eher scheinen sie überrascht von einem schweren Schicksal, das sie zu überwältigen droht. Dennoch haben sie jeder einen eigenen Ausdruck, manche öffnen erstaunt den Mund, einem laufen die Holznarben längs übers Gesicht, ein anderer schaut nach unten, als läge da die (Er-)Lösung. Man kann sie als Metapher der Vereinzelung in unserer Gesellschaft deuten. Zwar treten die Köpfe in einer Gruppe auf, aber jeder bleibt für sich allein.

Rechts daneben hängt die Stahlarbeit von dem 1955 geborenen Ernst J. Petrars, „What is in my head“, fragt der Titel, Dreieckig locker ziehen sich über den Stahlplatten Linien aus Stahlseilen, die den Kopf umgeben. Aber da ist nichts drin. In diesem Fall hilft entweder die Vorstellungskraft des Betrachters, diese Leere zu füllen, oder der „Denker“, eine Stahlplastik, die vor den beiden Platten aufgestellt ist. Glatt und glänzend ist dessen Oberfläche, hier scheint das Denken leicht, aber auch leicht abzurutschen – da ist nichts von der Schwere, wie sie bei dem gleichnamigen „Denker“ von Rodin das Kopfzerbrechen modelliert. Und wo der Betrachter förmlich bei der Entstehung des Gedankens zusehen kann. Hier rutschen sie eher ab, die Gedanken, sie erfreuen sich an der Schönheit der Oberfläche. Wie das ja häufig im tatsächlichen Leben geschieht.

Die Reliefs von Gerard Göschel, der 1940 in Wien geboren ist und seit 1990 im Brandenburgischen lebt, schmücken die Stirnseite des der Straße zugewandten Raums. „Ruhekissen“ heißen die vier Objekte, die waagrechte Wellen formen. Sie nehmen sich durch die unschuldig weiße Oberfläche sehr zurück und bieten so eine Art Ruhekissen für die Gedanken, die die begonnene Wellenbewegung aufnehmen und ins Unendliche führen. Beruhigend wirkt das und erinnert an Meditation.

Gleich daneben geht es bei Hans-Georg Wagners wild behauenen Holzarbeiten lauter zu. „Gefesselte Hexe oder Leben nach dem Kopfschuss“ nennt sich die aufstrebende, aus einem Baumstamm heraus getriebene Figur. Soldatisch und raumgreifend kommt sie auf den Betrachter zu und offenbart damit etwas von ihrer Vorgeschichte: Als die Eiche noch Eiche war, wurde sie von einer Kalaschnikow angeschossen.

Zu ihr hat der 1962 in Havelberg geborenen Holzbildhauer zwei weitere Figuren gesellt: „Horcher“ und „Schüchterne“ stehen tatsächlich schüchtern und lauschend, als wollten sie der „gefesselten Hexe“ offenbar nicht die Möglichkeit nehmen, sich von ihrer kriegerisch bedingten Aggression zu befreien.

Die narrativsten Arbeiten stammen von der 38-jährigen Frauke Danzer. Die Objekte schaukeln von der Decke herab oder glotzen von der weißen Wand, sie sind frech und bergen Geschlechterdiskurse ebenso wie kulturelle Geschichten: Die beiden aus dem Zyklus „Trophäen“ stammenden Skulpturen interpretieren den männlichen Jagdtrieb und seine Auswirkungen: Ein Elchgeweih ragt – aus Damenstrumpf gefertigt – auf weißen Stümpfen, und zwischen zwei Beinteilen ohne Füße kriecht das Schamhaar kratzbürstig drahtig heraus.

Das ist eine schöne kleine Ausstellung, die sehr gut in die Räume des BVBK passt und dem Besucher Muße verleiht und zu einer Ruhe bringt, die auch Kraftquelle sein kann.

Bis 20.Juli, Mi bis Fr 11-17 Uhr, Sa und So 11 -18 Uhr., Hermann-Elflein.-Str. 18

Lore Bardens

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })