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Kultur: Das Mädchen aus dem Soldatenspind

Ilse Werner , „die Frau mit Pfiff“, schenkte dem Filmmuseum ihre Sammlung / Am 10. Dezember gibt es eine Ausstellung

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Ilse Werner , „die Frau mit Pfiff“, schenkte dem Filmmuseum ihre Sammlung / Am 10. Dezember gibt es eine Ausstellung Von Heidi Jäger Keine Starfotos, keine Trophäen. In ihrer schlichten, modernen Wohnung hängt lediglich ein altes Schild von der Ufa, das an ihre große Zeit als Schauspielerin erinnert. „Ilse Werner ist keine Frau, die in der Vergangenheit lebt. Sie erinnert mich in ihrer zupackenden und humorvollen Art eher an meine Großmutter als an einen Star.“ Doch das war sie, wie Guido Altendorf, Mitarbeiter des Filmmuseums, bei der Sichtung ihrer Sammlung noch einmal eindrücklich vor Augen geführt bekam. Mit nunmehr 83 Jahren trennte sich die heute in einer Seniorenresidenz bei Lübeck lebende Künstlerin von vielen persönlichen Dingen, die ihre Laufbahn begleiteten und schenkte sie dem Filmmuseum. Dort sind sie nun in bester Gesellschaft mit dem Nachlass von Hans Albers und Carl Raddatz, mit denen Ilse Werner gemeinsam vor der Kamera stand. Noch ist Filmwissenschaftler Guido Altendorf bei der Sichtung der über 15 Kartons, um die schönsten Erinnerungsstücke herauszufiltern, die ab 10. Dezember in einer Foyerausstellung gezeigt werden sollen. Dann kommt Ilse Werner auch persönlich nach Potsdam, um sich an ihre einstige Wirkungsstätte zu erinnern und sich auch ins Goldene Buch der Stadt Potsdam einzutragen. Schon allein ihre Kinderfotos, die sie dem Filmmuseum überließ, seien vom großen zeitgeschichtlichen Wert, so Guido Altendorf. Sie dokumentierten einen bislang wenig betrachteten Ausschnitt der Vergangenheit. Ilse Werner wuchs in dem niederländisch-ostindischen Batavia, dem heutigen Jakarta, auf. Ihr Vater war ein niederländischer Kaufmann und stand einem sehr reichen Hause im Kolonialstil mit zahllosen einheimischen Dienstboten vor. „Ilse Werner trennte sich ganz unsentimental auch von diesen Fotos.“ Zehnjährig zog das Mädchen dann mit den Eltern nach Frankfurt am Main und mit 16 ging’s nach Wien, wo sie am Max-Reinhard-Seminar Schauspielunterricht nahm. „Ihre Karriere begann im Prinzip in Babelsberg.“ Zwar habe sie 16-jährig bereits in Wien ihren Erstling „Finale“ gedreht, aber ein Jahr später stand sie schon bei der Ufa vor der Kamera. Einer ihrer ersten Filme wurde gleich verboten: „Das Leben kann so schön sein“. „Er erzählt die Geschichte eines jungen Ehepaares, das sich in einer grauenvollen Finanzsituation befindet. Eine ungewollte Schwangerschaft erschwert die Situation zusätzlich. Bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung kommt es zur Frühgeburt. Es war ein Unding, 1939 diesen Film zu zeigen, denn Deutschland sollte als Sozialstaat gepriesen werden, in dem es keine existenziellen Nöte gab. Der Film torpedierte die Bevölkerungspolitik Goebbels“, so der Filmwissenschaftler. Ilse Werner habe durch dieses Verbot keine Nachteile gehabt. Sie bekam weiter ihre Rollen, 1940 in ihrem Durchreißer „Das Wunschkonzert“. „Diese Heimat-Frontgeschichte gehörte finanziell zu den erfolgreichsten der Nazizeit. Goebbels selbst schrieb am Drehbuch mit. Dieser Film hat ihr nach dem Krieg auch die größte Kritik eingebracht. Aber man muss fairer Weise sagen, dass ihr Vater damals die Verträge mit der Ufa für sie machte. Schließlich war Ilse Werner gerade mal 19,“ gibt Altendorf zu bedenken. Er wisse auch, dass Ilse Werner sehr allergisch auf Vorwürfe reagiere. Sie sei als Holländerin froh über jeden Film gewesen, den sie drehen konnte. „ Etwas wie ,Jud Süß’ gibt es bei ihr ja auch nicht.“ Durch das „Wunschkonzert“ wurde die Schauspielerin auch als Sängerin und Pfeiferin entdeckt. „Die NS-Propaganda machte sie zur Truppenunterhalterin der Wehrmacht. Ilse Werner wurde zum Pin-up-Girl des Zweiten Weltkrieges. Ihr Fotos hingen in jedem Soldatenspind. Sie wurde auch deshalb vergöttert, weil man in ihr das Mädchen sah, das man selbst gern zu Hause gehabt hätte – kein Seelchen, keine entrücktes Glamourwesen, sondern eine Frau, die ihren Mann steht“, glaubt Altendorf. Der von Helmut Käutner gedrehte Streifen „Wir machen Musik“ wurde dann zum Lieblingsfilm der Werner, weiß Altendorf ebenfalls zu berichten. „Das war Unterhaltung der gehobeneren Art: intelligent und witzig.“ Dann kam „Münchhausen“ und schließlich erneut an der Seite von Hans Albers die „Große Freiheit Nr. 7“, der wiederum der Zensur im Deutschen Reich zum Opfer fiel. „Es gab in dem Film zahlreiche Prostituierte, ja sogar eine ,Bettszene’ und vor allem eine melancholische Stimmung. Das passte gar nicht ins heroische Kriegsbild.“ Da der Film aber sehr teuer gewesen sei, habe man ihn wenigstens ins Ausland exportiert. Nach 1945 hatte er dann auch in den deutschen Kinos Premiere. Für Ilse Werner bedeutete das Kriegsende aber zunächst einmal Berufsverbot durch die Alliierten, das anderthalb Jahre währte. An ihre einstigen Erfolge konnte sie nicht wieder anknüpfen, obwohl sie auch mit Regisseuren wie Georg Wilhelm Papst zusammenarbeitete.1949 zog sie mit ihrem ersten Mann, einem amerikanischen Journalisten, in die USA und wurde Hausfrau. Auch ihre Freundin Hildegard Knef traf sie dort wieder. Schon in den 50ern nahm sie wieder Filmangebote aus Deutschland an: „Ilse Werner wurde fortan eklatant falsch besetzt: Sie, die in ihrer Darstellung immer sehr modern war, bekam jetzt ganz biedere Rollen: als Gräfin oder Gouvernante. Dabei war sie eher der Jazz- als der Operettentyp. Somit endete ihre große Filmkarriere bereits mit 24 Jahren.“ Doch von der Kunst zog sich die Werner deshalb noch lange nicht zurück: Sie sang und pfiff sich durch die Hitparaden. Ihr Titel „Baciare“, den ihr zweiter Mann Josef Niessen für sie komponierte, wurde zum Welterfolg. Im „Radio Luxemburg“ hatte sie ihre eigenen Sendungen, ja sie gehörte auch zu den ersten Talk-Masterinnen im deutschen Fernsehen. Im „Café mit Musik“ repräsentierte sie Plattenneuheiten aller Musiksparten. Sie tingelte, gab bunte Abende, synchronisierte – unter anderem Rita Hayworth – schrieb ihre Memoiren, war eben „Eine Frau mit Pfiff“, wie ihre eigene Fernsehshow hieß. Und sie spielte auch erfolgreich Theater, in Ibsens „Hedda Gabler“ oder in dem Musical „Der König und ich“. Das Fernsehen verpflichtete sie vor allem in Serien, wie „Rivalen der Rennbahn“ oder „Praxis Bülowbogen“. Ihr vorerst letzter Kinofilm „Die Hallo-Sisters“ mit Gisela May und Harald Juhnke brachte ihr erneut das Filmband in Gold ein, nachdem sie bereits auch das Bundesverdienstkreuz I. Klasse hatte. Vor allem war Ilse Werner immer auch in Kontakt mit moderner Musik. Nicht umsonst engagierten „Die Ärzte“ sie für ihre Single „Ohne dich“. Das Pfeifen ist ihr „Kapital“, wie sie selbst von sich sagte. Gerade erst vorige Woche pfiff sie wieder auf einer NDR-Talk-Show. Ob man sie auch in Potsdam pfeifend erleben wird? Das wird erst der Abend des 10. Dezember zeigen, auf dem Wolfgang Völz die Laudatio hält und ihr Freund Bert Beel, der die Schenkung initiierte, singt. Aber vor allem gibt es etwas zu sehen: Natürlich ihre Filme („Die schwedische Nachtigall und „Wir machen Musik“), und eben die Ausstellung. „Sie dokumentiert zwar nicht ihre Karriere von A bis Z, ist aber durchaus sehr vielseitig“: Mit der ersten Autogrammkarte, dem Manuskript ihres Buches mit handschriftlichen Notizen, ihrer ersten Schallplatte bis zum glitzernden Bühnenkleid aus den 90ern. Auch Gagenabrechnungen sind darunter. Sie zeigen, dass Ilse Werner zwar zu den Top-Stars der Ufa gehörte, aber nur in der mittleren Gehaltsklasse rangierte. Für die Große Freiheit erhielt sie 45 000 Reichsmark, Paula Wessely bekam im Durchschnitt 120000 für eine Produktion. So spielte Ilse Werner finanziell etwa in einer Liga mit Johannes Heesters.

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