Kultur: Das „Minsk“ ist reaktiviert
Framefarmers und TLG eröffneten Ausstellung, die noch wächst
Stand:
Framefarmers und TLG eröffneten Ausstellung, die noch wächst Scheiben sind eingeschlagen, Putz bröckelt, verwelktes Unkraut schaut traurig aus den Pflanzkübeln. Die Glanzzeiten des Terrassenrestaurants Minsk sind vorbei. Dennoch wollten junge Potsdamer Künstler nicht zuschauen, wie das seit zwei Jahren leerstehende Haus immer mehr zerfällt und auch den Weg in Richtung Schwimmhalle zu einer Zumutung werden lässt. Am Mittwoch Abend luden die Licht- und Videokünstler Adria und Framefarmers zu einer Ausstellungseröffnung ein, nachdem sie wochenlang gegen Graffiti, Glasberge und die demolierte Einrichtung vorgingen. Die TLG als Immobilienunternehmen des Bundes und Minsk-Eigentümer hatten sie dabei mit im Boot. Die TLG verstand denn auch die Vernissage als publikumsträchtiges Marketing und garnierte das nette Zusammensein des bunt gemixten Publikums mit kleinen Häppchen und Sekt. Die eifrigen Kellner servierten in extra gefertigten T-Shirts mit MINSK-Aufdruck. Das Projekt „Stadtgestalt“ der Framefarmers reihe sich gut in die eigene Veranstaltungsreihe „Kunst im Bau“ ein, die TLG Immobilien auch in Berlin erfolgreich praktiziere, betonte Pressesprecher Günter Sölken zur Eröffnung. „Wir wollen unsere Immobilien, solange sie leer stehen, für interessante Künstler bereit stellen. So gehen Wirtschaft und Kultur eine Symbiose ein. “ Sölken betonte, dass man sich mit der Werbung nicht verstecken, sondern ganz offensiv zeigen möchte. Gerade für das Minsk sei es schwierig, einen Interessenten zu finden, da es eine für Gaststätten viel zu überdimensionierte Fläche einnimmt. „Gerüchte sagen, dass das Haus nur gebaut wurde, um den darunter liegenden Bunker zu tarnen.“ Die Ausmaße machten es jedenfalls nicht leicht, zu kalkulieren. „Schon allein, um die Wände einzureißen, Lüftung und Sanitärversorgung zu sanieren, brauche es Millionen.“ Die vorerst recht bescheidene Schau im Minsk, die sich mit Fotos, einen in die virtuelle Welt eintauchenden Grafik-Fries und Videoaufnahmen auf zwei kleine Räume konzentriert, versteht sich als Begleitung zu den Bauten, die in den kommenden zwei Monaten illuminiert werden sollen, wie das Haus des Reisens und das leerstehende Sporthaus. „Unser Projekt ,Stadtgestalt“ funktioniert als work in progress und ist eine große Lichtausstellung zum Thema DDR-Architektur“, so Daniel Nauck von den Framefarmers. Das reaktivierte Minsk soll sich zum Aktions- und Kommunikationsort entwickeln: „Das Haus ist extravagant, und so soll auch die Kunst darin sein: Modernität gepaart mit Experimentierfreudigkeit. Wir wollen weg vom Konventionellen und dafür Freiraum schaffen. Sicher ist Potsdam ein schwieriges Pflaster dafür, aber vielleicht gelingt es ja, auch Studenten und Berliner hierher zu locken.“ Nauck kündigt in dem „spröden, aber schönen Objekt“ Aktionen auch von anderen Künstlern an. „Es wird sehr vielfältig sein, was dort passiert. Und es wird auch mehr Exponate geben. Die Ausstellung ändert sich von Wochenende zu Wochenende.“ Die Mittel seien allerdings sehr begrenzt. 3150 Euro stellte das Kulturamt zur Verfügung. „Wir wollen das Haus erst einmal testen. Wenn das Feedback gut ist, müssen wir schauen, ob wir im nächsten Jahr weiter machen können.“ Der Winter zwinge ohnehin zur Pause, schon weil die Heizung fehlt. Den rund 100 Gästen bot sich zur Eröffnung eine Reise zwischen Nostalgie, Ernüchterung, Reibung und Spannung. Das einstige Nobelrestaurant mit seinem Materialmix aus Beton, Holz, Sandstein und Glas weiß noch immer mit Details zu faszinieren, auch wenn der Glanz verblichen ist. Gerade diese Morbidität könnte Magnet für junge Leute sein, die das Improvisierte mögen. Viele leerstehende Objekte in Berlin, wie Tresor, WMF oder das Maria, haben genauso angefangen und mauserten sich zu gut laufenden Klubs. Einige Framefarmers haben genau dort künstlerisch laufen gelernt. H. Jäger
H. Jäger
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: