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Kultur: Das Rascheln fliegender Maiskörner Carmen Souza bei
„The Voice in Concert“
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Wenn sich Carmen Souza an ihre Kindheit auf den Kapverdischen Inseln erinnert, hat sie ein ganz bestimmtes Bild vor Augen: Ihre Mutter, die zusammen mit anderen Frauen vor ihrem Haus steht und Maiskörner mit einem großen Korb in die Luft wirft. Es ist eine Prozedur, die zur Vorbereitung eines traditionellen kapverdischen Gerichts gehört. Das klickende Rascheln der herabfallenden Körner symbolisiert für Carmen Souza ein Lebensgefühl. Immer in Bewegung zu bleiben, das sei das Wichtigste, sagt sie und imitiert das Geräusch der Körner mit ihrer Stimme. Und schon ist man mitten in einem ihrer Lieder.
Die Sängerin von den Kapverdischen Inseln brachte am Freitagabend in der Reihe „Voice in Concert“ ein buntes Bukett tropischer Klänge, ihre Muttersprache und allerlei Geschichten mit in das Foyer des Nikolaisaals. Für ihre Musiker regnete es so lange Zwischenapplause wie nie zuvor in dieser Saison: Davide Giovannini, irrsinnig schnell am Schlagzeug und der Percussion, funky und verschmitzt am E-Bass und am Kontrabass Theo Pasc’al, der gleichzeitig Souzas musikalischer Mentor und Backgroundsänger ist, und schließlich elegant, jazzig bis modern Jonathan Idiagbonya am Flügel und einem kleinen Tasteninstrument, in das er mit einem weißen Schlauch hineinbließ, um Töne zu erzeugen – der Melodica.
Schon als Carmen Souza den Saal betritt, spürt man, dass hier eine in ihrer Mitte ruht. Sie dagegen fühlt, dass sie mit einer besonderen Vorfreude vom Publikum erwartet wird und wippt ihren Körper auf die Bühne. Am Wurlizer und auf ihrer Gitarre begleitete sie sich selbst und ihre Band. Fasziniert lauscht man ihren Worten, obwohl fast niemand im Saal sie versteht. Carmen Souza singt auf Kreol, einem kapverdischen Dialekt aus Portugiesisch, Französisch, Englisch und ein paar afrikanischen Sprachen. „Primavera“ ist eines der wenigen Worte, das man wiedererkennen kann. „Primavera“ heißt Frühling, steht für die Kraft der sprießenden Blüten, Neuanfänge und hoffnungsvolle Versprechen. In ihrem bunten Kleid und mit dem breiten Lächeln sprüht Carmen Souza selbst vor „Primavera“.
Dass Musiker, die aus Kuba, Afrika, Spanien und den Kapverden gekommen sind, Bossas und Sambas mitbringen, war zu erwarten. Das Besondere an Carmen Souzas Liedern ist jedoch, dass sie – live noch stärker als auf den Studienaufnahmen – nicht einfach nur singt. Sie erzählt, imitiert, parodiert, als führe sie Monologe mit sich selbst oder ahme Dialoge nach. Hoch, knarrend, spöttisch wechselnd mit tief, hauchend, quakend, dazwischen gerollte Laute. Nur Melancholie und Selbstmitleid kennt diese Musik nicht. Carmen Souzas Motto „Immer in Bewegung bleiben“, das sie den Maiskörnern abgelauscht hat, treibt sie auch musikalisch voran.
In ihrer Musik mischen sich die Melodien der Kapverdischen Inseln mit klassischen Jazzelementen und Soul. Unbekannt, erfrischend und doch irgendwie vertraut. So soll das Publikum auch mal mitsingen, auf Kreol natürlich, da lässt Carmen Souza nicht locker. Vor der Bühne Zögern. Beim Tanzen und Klatschen ist das Nikolaissaalpublikum immer sofort dabei, aber um es zum Singen zu bringen, braucht man Überredungskünste. Die hat Carmen Souza, übersetzt geduldig die vier Worte des Refrains und fordert noch mal zum Mitsingen auf. Wenn sie mit dem Ergebnis zufrieden ist, lächelt sie, kneift die Augen zusammen und rümpft die Nase. Als würde sie sagen: „Leute, Musik muss man zusammen machen. Und seht ihr, so einfach ist es.“
Ihre Version von „Song for a Father“, einem Klassiker aus den Sechzigern von Horace Silver, steht auch auf der Liste. Der Song ist einer der wenigen im Programm, den Souza nicht selbst geschrieben hat. Aber mit Silver verbindet sie etwas: Auch er hat Wurzeln in den Kapverden und auch er hat damals das Gleiche gemacht wie Carmen Souza heute: Jazz mit der Musik ihrer Inseln gemischt und bekannt gemacht. Undine Zimmer
, ine Zimmer
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