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Kultur: Das Sprechen nach dem Schweigen
Ab morgen im Kino: Die Verfilmung von Knut Elstermanns Buch „Gerdas Schweigen“
Stand:
Vor drei Jahren ist Ihr Buch „Gerdas Schweigen“ im be.bra Verlag erschienen. Es erzählt über ein grausames Kapitel deutscher Geschichte: über die 1944 nach Auschwitz deportierte Jüdin Gerda, die im Konzentrationslager ihre Tochter Sylvia zur Welt bringt. Gerda darf das Kind nicht stillen und muss mit ansehen, wie ihr Baby in ihren eigenen Armen verhungert. Ab morgen gibt es die Geschichte nun im Kino zu sehen. War für Gerda, der Freundin Ihrer Mutter, diese Verfilmung nicht eine zu große Zumutung?
Gerda wollte bei allen Schwierigkeiten mit ihrem Sohn und den Schmerzen der Erinnerung, dass die Geschichte noch bekannter wird. Es ist ihre ganz tiefe politische Überzeugung: Die Leute sollen wissen, was man den Juden angetan hat. Sie fand es auch gut, dass ich mit meinem Buch zu über hundert Lesungen gefahren bin, davon die Hälfte in Schulen.
Vor der Kamera zu erzählen, ist noch einmal etwas anderes, zumal über so aufwühlende Dinge.
Gerda hatte immer die Kontrolle und konnte sagen: Jetzt reicht“s, ich bin erschöpft. Aber sie ist eine unheimlich beherrschte Frau. Es war wie eine Arbeit, die sie erledigen musste.
Und das trotz der Zerwürfnisse mit dem Sohn, der erst durch Ihr Buch erfuhr, was in Auschwitz passierte. Haben sich Mutter und Sohn inzwischen wieder ausgesöhnt?
Es ist gut, dass alles ausgesprochen ist und ich würde auch gern ein Happyend erzählen. Aber es bleibt seine Eifersucht, dass sie mir ihre Geschichte erzählte und nicht ihm, dass sie kein Vertrauen zu ihm hatte. Aber es ist wie so oft in Familien, dass man den richtigen Zeitpunkt verpasst, sich schmerzliche Dinge von der Seele zu reden. Steven, der unverheiratet zum Teil noch immer bei seiner Mutter lebt und sich nicht lösen kann, war darüber mehr als wütend. Man bekommt im Film mit, dass noch immer etwas schwelt.
Wie nah ist der Film am Buch dran?
Die Regisseurin Britta Wauer erzählt nicht nur die Geschichte nach, es ist vielmehr das Porträt einer geistig topfiten 88-jährigen Frau mit einer enormen Schönheit und Ausstrahlung. Der Film geht über das Buch hinaus: Es ist das Sprechen nach dem Schweigen.
Wo drehten Sie?
Wir fuhren an Gerdas Wohnort nach New York, besuchten sie in ihrem Ferienhaus und auch in der sehr freigeistigen Synagoge. Ich bin in dem Film das verbindende Glied, zwischen den Orten und Leuten. Meine Mutter ist dabei die wichtigste Zeugin. Aber wir befragten auch Steven. Anders als im Buch erfährt man im Film nur Dinge, die unmittelbar mit Gerda zu tun haben. Britta arbeitete sehr konzentriert.
Wie kam es zur Verfilmung?
Die Idee kam von außen, aber die 33-jährige Grimme-Preisträgerin Britta Wauer war schon mein großer Wunsch. Ich kannte einen Film von ihr und sie war auch auf einer meiner Lesungen. Als ich sie fragte, ob sie sich diese Arbeit vorstellen könnte, schrieb sie mir, dass sie das Buch zwar toll fände, aber keine Idee hätte, wie es zu machen sei. Also genau die richtigen Zweifel für das Projekt. Britta hat sich sehr klug reingearbeitet, ohne falsche Euphorie.
Gab es ein ausreichendes Budget?
Für einen Dokfilm ist „Gerdas Schweigen“ sehr gut ausgestattet. Es gibt auch richtig große Filmmusik, gespielt vom Staatsorchester Frankfurt (Oder).
Ist das nicht bei einem ohnehin tief aufwühlenden Thema zu viel Rührung?
Der Film ist emotional, aber unsentimental. Er soll die Türen wenigstens einen Spalt öffnen. Und dabei wird nichts ausgeschmückt.
Hat Gerda den Film, der morgen in die Kinos kommt, schon gesehen?
Wir sind nach New York gefahren und haben ihn ihr gezeigt. Britta schaute genauso wie ich die ganze Zeit nur gespannt auf Gerdas Gesicht. Und sie war absolut glücklich. Am Ende sagte Gerda: „Es ist ein so schöner Film geworden. Ich bin so berührt.“ Sie hatte keinen einzigen Änderungswunsch.
Das Gespräch führte Heidi Jäger.
Am 24. November um 20 Uhr gibt es im Filmmuseum zu „Gerdas Schweigen“ ein Aktuelles Filmgespräch mit Knut Elstermann und Britta Wauer.
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