Premiere im Hans-Otto-Theater: Das süße Anderswo
Am Donnerstag hat „Frühlings Erwachen! (Live Fast – Die Young)“ in der Reithalle Premiere – der Autor und Regisseur Nuran David Calis hat die Textvorlage dafür neu geschrieben
Stand:
Die Geschichte von Nuran David Calis liest sich fast zu schön, um wahr zu sein. Die verkürzte Variante geht so: vom Türsteher in Bielefeld-Baumheide zum Autor und Regisseur am Deutschen Theater Berlin! Bielefeld-Baumheide, das sollte man wissen, um das Ausrufezeichen, das Staunen dahinter verstehen zu können, muss man sich als eine Art Bielefelder Variante von Marzahn für Migranten vorstellen. Nur dass man von Baumheide nicht per U-Bahn in die Stadtmitte kommt, sondern mit einem Bus, der braucht 45 Minuten und ab 23 Uhr ist Schluss.
Bielefeld-Baumheide, der Ort, an dem David Nuran Calis 1976 geboren wurde, ist offener oder heimlicher Protagonist in fast allem, was der Autor Calis schreibt. Das „South Central von Bielefeld“, das „Afghanistan des heutigen Asiens“ wurde herumgebaut um eine Müllkippe und ein Klärwerk.
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Es ist eine heikle Frage, die sich auch die Premiere von „Frühlings Erwachen! (Live Fast – Die Young)“ am Donnerstag stellen lassen muss: Wie viel Extra-Jugend braucht Jugend heute, um mit alten Stoffen umgehen zu können? Warum eigentlich muss „Frühlings Erwachen“ überhaupt neu geschrieben werden? Für die richtigen Themen hat bekanntlich Wedekind schon 1891 gesorgt: das erste Mal Sex. Immer noch nicht das erste Mal Sex. Überhaupt, die Triebe! Die erdrückenden Autoritäten. Der, teils selbst gemachte, Leistungsdruck. Und natürlich, siehe oben: die betörende Idee, dass irgendwo anders alles, alles anders wäre – hier gepaart mit einer großen Portion Unlust am Leben. Um 1900 war all das so jugendlich, dass es fünfzehn Jahre lang nicht aufgeführt werden konnte.
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