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John von Düffel liest in der Villa Quandt: Das Unerträgliche ist eine Illusion

Immer und scheinbar mühelos funktioniert von Düffels einfache Sprache. Die trifft den Leser schon mal ins Herz. Am Sonntag liest er in der Villa Quandt.

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Mit John von Düffel lernt man zu leben. Der Potsdamer Autor nimmt seinen Leser an die Hand – und führt ihn unerbittlich in die Kälte. Denn „wie kann ein Mensch sterben, ohne zu wissen, wie gnädig die Kälte ist“. Das Leben spüren, das geht gut beim Schwimmen. Zu leben, das geht, wenn man Düffel folgt, überhaupt nur im Kampf mit sich und gegen die Trägheit. Düffel ist ein Radikaler, die Bequemlichkeit, die Angst, den Selbsterhaltungstrieb lässt er nicht gelten, wenn es darum geht, mehr zu spüren. Also rein in die Ostsee, auf der noch eine zarte Eisschicht liegt „wie die Haut über einer erkalteten Milch“. Und er schafft es, aus seiner Geschichte vom Eisbaden eine existenzielle Erzählung zu machen. Eine, die am Ende auch nicht nur um seine oder irgendeine andere irgendwie übergeordnete Existenz kreist. Nein. Mit einem lässigen Schlenker aus dem Handgelenk schleudert er am Ende, fast mit einem Satz, noch eine zweite, große Erzählung in den Kopf des Lesers.

Dann ist Schluss, dann folgt die nächste Miniatur einer existenziellen Erfahrung, auch sie folgt, wie alle elf Kapitel seines neuen Kurzgeschichtenbands „Wassererzählungen“, seinem großen Thema. Am Sonntagabend bringt er es mit zur Buchpremiere in die Villa Quandt.

Wer in Potsdam lebt, wie Düffel, kann eigentlich nicht nicht vom Wasser schreiben. Schon gar nicht, wenn man ein leidenschaftlicher Schwimmer und Extremsportler ist wie er. Wasser ist hier in Potsdam allgegenwärtig, nicht auf die aufdringliche Art wie an der See, sondern auf seine ganz wassertypische, alles durchdringende Art. Wer das weiß, wer Potsdam kennt, der spürt seinen Wohnort durch alle seine Zeilen, auch wenn seine Protagonisten an ganz anderen Orten leben, leiden und lieben.

John von Düffel selbst ist 1966 in Göttingen geboren, arbeitet heute als Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin und als Professor für Szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste. Die „Wassererzählungen“ sind nicht von Düffels erstes Buch, aber er kehrt mit ihm zurück zum Grundmotiv seines Erfolgsromans: „Vom Wasser“ (1998). Bei DuMont erschienen außerdem seine Romane „Zeit des Verschwindens“ (2000), „Ego“ (2001), „Houwelandt“ (2004), „Beste Jahre“ (2007) und zuletzt „Goethe ruft an“ (2011).

Was immer funktioniert, scheinbar mühelos, ist seine ganz einfache und so präzise Sprache. Er ist keiner, der komplizierte Wortneuschöpfungen braucht oder ausholen muss in die tiefen und versteckten Winkel der deutschen Sprache. Keiner, der versucht, besonders modern zu klingen oder besonders gebildet. Ganz unprätentiös und elegant ist bei ihm kein Wort zu viel, die Dialoge so reduziert, dass sie wie eine geschärfte Version der Wirklichkeit klingen. Nie sagen seine Figuren Sachen, die niemand je tatsächlich so sagen würde. Und eben deshalb bohren sie sich so tief ins Herz des Lesers, ergreifen ihn. Manchmal trösten seine Sätze auch: „Das Unerträgliche ist eine Illusion, die nachlässt, irgendwann.“ Mehr muss man nicht wissen. Als Leser nicht und auch nicht als eine seiner oft gequälten Figuren. Ariane Lemme

Buchpremiere mit anschließendem Empfang von John von Düffels „Wassererzählungen“ am Sonntag, 16. Februar, um 18 Uhr in der Villa Quandt, Große Weinmeisterstraße 46/47. Der Eintritt kostet 7, ermäßigt 5 Euro.

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