Kultur: Das Waldschloss feiert seinen Zehnten
Jubiläumsveranstaltung mit dem „Radiogott“ Tommy Wosch
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Jubiläumsveranstaltung mit dem „Radiogott“ Tommy Wosch Von der Decke hängt der Kronleuchter, die über hundert Plastikstühle füllen sich mit überwiegend jugendlichem Publikum. Dass der Veranstaltungsbeginn auf sich warten lässt, stört niemanden. Sie sind zur Eröffnungsveranstaltung der Jubiläumswoche gekommen: 10 Jahre Waldschloss in Babelsberg. Wobei das viele weniger interessieren wird, denn sie wollen eigentlich nur Tommy, den Moderator von Radio „Fritz“. Seine kabarettistische Lesung „Tommy Wosch, eine Medienhure packt aus“ soll gleich beginnen. Die Kooperation zwischen dem Radiosender „Fritz“ und dem Waldschloss geht zurück bis in die Anfangszeit des alternativen Kunst-, Kultur- und Medienzentrums in der Stahnsdorfer Straße. Ab 1993 hatte „Fritz“ live Partys und Konzerte übertragen. Das gibt es heute zwar nicht mehr, doch nach wie vor beherbergt das Waldschloss die „Fritzkneipe“ und wird von dem Radiosender unterstützt. Die zehn Jahre, auf die das Waldschloss, als ein Standort des Lindenpark e.V., zurückblicken kann, beinhalten bereits die erste überwundene Existenzkrise. Ende der Neunziger flaute der Publikumsstrom ab. Durch hartnäckige Öffentlichkeitsarbeit und strikte Konzentration auf die studentische Zielgruppe, konnte die Aufgabe des Standortes verhindert werden. Mittlerweile ziehen die Angebote in Kleinkunst, Weltmusik, Literatur, junge Filmszene und Partys wieder viel Publikum an, aus Potsdam und Berlin. Doch es sei nicht einfach gewesen, das Waldschlosses in den Köpfen der Studierenden zu etablieren, erzählt Ellen Klein, die seit über zwei Jahren Kathrin Finke, die Leiterin, zusammen mit vielen anderen, unterstützt. Die Studierenden der Filmhochschule hätten noch länger gebraucht als die vom Uni-Standort Griebnitzsee, bis sie das günstige Angebot der Fritzkneipe und die ihnen gerne zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten entdeckt hatten. Als die Musik richtig laut wird und das grelle Licht im Beat zuckt, ist es endlich soweit. Tommy Wosch kommt aus der Garderobe, in der er wahrscheinlich derart lange verweilte, weil das gelbe miederartige Oberteil mit Puffärmeln nicht über das orangene Shirt der Berliner Stadtreinigung passen wollte. Der zum Oberteil gehörende enge Rock umspielt seine langen Beine und der Stirnreif mit dem über den Nacken hängenden Schleier sitzt ebenfalls, halbwegs zumindest. Nach dem Anfangssketch beginnt das Programm mit einer Lesung aus Briefen, die sich Tommy Wosch und sein assistierender Kollege Michi Balzer, der die ganze Zeit mit auf der Bühne sitzt, geschrieben hatten. Aus ihnen erklärte sich die Entstehung des Programms. Während Michi seinen Doktor und anschließend sein Glück gemacht hatte (Admiral, Goldfund, Kronprinz von Kuwait, Nobelpreisträger), rutschte Tommy vom Besitzer Grönlands zum Junky ab. Bis er auf die Idee kam, mit einem Kabarettprogramm Geld zu machen. Auch die ultimative Erfolgsgarantie kam Tommy Wosch schnell in den Sinn: Er liefert die Zeitungskritiken für sein Programm, innerhalb desselben, gleich mit, diktierte aber viel zu schnell. Deshalb kann seine Selbstkritik hier leider nicht abgedruckt werden. Stattdessen muss festgestellt werden, dass die kurzen Videofilme das Beste des Programms waren. Die restlichen Witzeleien waren eher seicht und schienen besonders die schulische Zielgruppe zu amüsieren. In den Videofilmen ist Tommy Wosch als Bürgerschreck, Irritierer und Entlarver zu sehen. Er bittet nicht nur zwei Männer auf der Straße, ihm seinen Tanga aus der Poritze zu ziehen, sondern mischt sich mit Kinderlaterne und Hitlerbart unter demonstrierende Neonazis. Auf der Love Parade schlurft er an einer Polizeistreife vorbei, hält ein offenes Tütchen in der Hand und ruft unentwegt „Ecstasy, Trips, Pillen“. Die Polizisten denken, sie sind im falschen Film. Unvergesslich auch das Stehbild einer Frau am Meeresstrand, die über die Schulter zurückblickt und es einfach nicht fassen kann, dass dieser, an sich doch nett aussehende, junge Mann so unverfroren mit einem Ständer in der Badehose herumsteht. Und im Waldschloss geht es weiter. Diese Woche ist jeden Abend besonderes Programm. Der Mietvertrag für die Räume läuft noch vier Jahre, dann muss man weiter sehen. Ob der Theaterverein T-Werk im Januar tatsächlich, wie lange geplant, in die Reithalle B umsiedeln und das Waldschloss verlassen wird, glaubt Ellen Klein erst, wenn es tatsächlich passiert. Das wird jedoch am Konzept des Hauses nichts ändern, da es zwei getrennte Vereine sind. Dagmar Schnürer
Dagmar Schnürer
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