Kultur: Das Weihespiel
„Katte“ von Thorsten Becker zur Eröffnung: eine Geschichts-Lehrstunde
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Ehe die Zuschauer ihre Plätze fanden und zur Ruhe kamen, verging eine gewisse Zeit. Ein wenig aufgeregt schien am Freitagnachmittag die Festgemeinde zu sein, denn wann gibt es eine Theatereröffnung, zumal in Potsdam. Das letzte Theaterhaus wurde hier vor mehr als 210 Jahren in Besitz genommen. Der kunstsinnige König Friedrich Wilhelm II. ließ es bauen und verkündete über dem Eingang: „Dem Vergnügen der Einwohner“.
Zur festlichen Weihe des neuen Hauses am Tiefen See wartete das Hans Otto Theater 2006 mit einer Uraufführung auf, das Intendant Uwe Eric Laufenberg selbst inszenierte.
Der Berliner Schrifststeller Thorsten Becker verfasste ein Stück, das einen Stoff aus der preußischen Geschichte behandelt: „Katte“. „Bau dir nicht Opernhäuser, noch Theater“, rät gleich in der ersten Szene der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., die im prunkvollen Porzellankabinett von Schloss Charlottenburg spielt, seinem Sohn, dem Kronprinzen Friedrich (II.).
Doch der Sohn liebt die Verkleidung, das Spiel. Dies ist Friedrich Wilhelm ein Dorn im Auge. Mit dem Stock prügelt er auf den Prinzen ein und verkündet: „Ich bau den neuen Staat“. Alles Prunkvolle hat nunmehr keinen Platz mehr, sondern nur das Spartanische. Mit unbezähmbarer Energie und einem maßlosen Temperament nimmt der Monarch die Geschicke des Staates in die Hand. Und will den jungen Friedrich und seine Familie ganz nach seinem Willen und seinen Vorstellungen formen. Doch die Königin, Tochter Wilhelmine und der Kronprinz lehnen sich dagegen auf. Friedrich versucht zu fliehen und findet in seinem Freund Katte einen Gefährten, der dem Henker schließlich ausgeliefert wird. Der Kronprinz unterwirft sich seinem Vater und will nur noch dem Staate dienen. Von Preußens „Rückgrat“, den Offizieren, wird der Kronprinz jubelnd empfangen. Sie ducken sich aber unter seiner Machtpolitik. Auf den Schlachtfeldern, die der König, Friedrich der Große, dann zu veranworten hat, müssen viele von ihnen ihr Leben lassen. Verwundert schaut der Soldatenkönig auf diese Szenerie, denn Eroberungen fremder Gebiete waren seine Sache nicht.
Im Zentrum dieser „Preußischen Tragödie“, wie Becker das Stück nennt, steht nicht Friedrich und schon gar nicht Katte, sondern König Friedrich Wilhelm I. Man hätte es auch „Der Vater“ nennen können, wenn dieser Titel nicht schon zu diesem Thema besetzt wäre. Jochen Klepper hat in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts diese preußische Tragödie als einen großen Roman geschrieben. Man hatte den Eindruck, dass Thorsten Becker sich in mancher Szene, vor allem in der Dramaturgie des Stückes, einigen „Rat“ bei Klepper gesucht hat.
Der Autor von „Katte“ lässt seine Figuren in gereimten, oft blumigen Versen sprechen. Heutzutage ist dies sicherlich eine schriftstellerische Novität, aber sie wirkt auch antiquarisch und manchmal erinnern einige Wendungen an Wilhelm Busch. Die Darsteller versuchten sich den Texten mit großer Natürlichkeit anzunähern. Am besten gelang es aber Manfred Karge, dem Darsteller Friedrich Wilhelm I. Er gab dessen Reden eine ironische Note. Von akustischen Verständnisproblemen, von denen im Vorfeld der Eröffnung oftmals die Rede war, war in der Aufführung nichts zu spüren. Die etwas trocken und bieder daher kommende Geschichts-Lehrstunde Beckers hat Intendant Uwe Eric Laufenberg als ein Weihespiel mit attraktiven Wirkungen inszeniert, das er hin und wieder auch mit melodramatischen Zügen versah. Kaspar Glarner schuf ihm ein Bühnenbild, das die Tiefe und die technischen Möglichkeiten des Raumes bestens nutzt. Jessica Karge wartet mit historischen Kostümen auf, mit Perücken und Rokokokleidern. Auch ein Schimmel, es fehlen nur noch Hunde, muss auf die Szene.
Emotional am dichtesten waren die Gefängnisszenen, in denen Katte und Friedrich strengen Verhören unterzogen wurden. Die ergreifende Schlichtheit, mit denen Henrik Schubert (Friedrich) und Moritz Führmann (Katte) spielten, machten in diesen Augenblicken aus ihren Rollen tief bewegende Studien. In Manfred Karge fand Laufenberg einen hervorragenden Darsteller für den Soldatenkönig. Er denunzierte den König nicht ganz, sondern ließ ihm in seiner Sorge um den Staat so manches „gute Haar“.
Gisela Leipert als Königin, Jennipher Antoni als Wilhelmine sowie Hannes Wegener, Philipp Mauritz, Andreas Herrmann, Hans-Jochen Röhrig sowie die große Schar der Statisten setzten sich mit Engagement für die Uraufführung des Stückes ein.
Am Ende der rund zweistündigen Aufführung gab es viel Beifall für Becker, das Regieteam und die Darsteller. Aber galt der meiste Beifall vielleicht nicht doch dem neuen Haus?
Nächste Vorstellung: 30. September
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