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Kultur: Das wirklich Aufregende kam zum Schluss

Christian von Blohn beim Internationalen Orgelsommer Potsdam in der Friedenskirche

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Wie es sich gehört: Das die Sinne wirklich Aufregende erklingt zum Finale. Es ist ein „Te Deum“ für Orgel, stammt von dem in Frankreich lebenden Organisten und Komponisten libanesischer Herkunft Naji Hakim (geb. 1955). Studiert hat er am Pariser „Conservatoire National Supérieur de Musique“, war Titularorganist an der Basilique du Sacre Coeur und später, als Nachfolger von Olivier Messiaen, an der Eglise de la Trinité tätig. Nun ist er Professor für Harmonielehre und ein fleißiger Tonsetzer. Als Quellen seiner Inspiration benennt er den gregorianischen und maronitischen Gesang und den lutherischen Choral, dänische Hymnen, Volkslieder und die Heilige Schrift. Ein origineller Ethno-Stil-Mix, den auch die Vertonung jenes Ambrosianischen Lobgesangs auszeichnet, die Christian von Blohn bei seinem Orgelsommer-Auftritt an der Woehl-Orgel in der Friedenskirche zu voller Geltung bringt. Er, der als Kirchenmusiker an der Hildegardkirche im saarländischen St. Ingbert tätig ist, wuchtet das akkordische, von motorischem Drive erfüllte Opus mit seinen zerrissenen Klangflächen mit spielerischer Hingabe, ja geradezu gewalttätig in den Raum. Unüberhörbar: Das klang-prächtige und kontrastbetonte Stück von 1997 ähnelt einer modernen Variante der Toccata von Charles-Marie Widor, die ihn berühmt machte und die Organisten bis heute gern als virtuoses Finale in ihren Konzerten spielen.

Zuvor, sozusagen als Ruhe vor dem Sturm, stellt Christian von Blohn Choral und Finale aus der Orgel-„Symphonie Romane“ von Widor als eine singende, breit dahinfließende Klangschönheit vor. Vor diesem Labsal für die Ohren müssen diese sich auf ornithologische Entdeckungsreisen begeben. In Messiaens „Dieu est saint“ aus den „Meditationen über das Mysterium der Heiligen Dreifaltigkeit“ sind es Schwarzamsel, Buchfink, Goldammer und Gartengrasmücke, deren geschwätziges Gezwitscher zunächst original, dann verfremdet erklingt. Und auch in „Des heiligen Franz von Assisi Vogelpredigt“ von Franz Liszt sind die Laute zahlloser gefiederter Gesellen durch den Gebrauch höchster Diskantlagen effektvoll eingefangen. Mit Jalousieschweller, Crescendowalze, dem Einsatz des starken Tremulanten und entsprechender Registerwahl wird die sonor tönende Predigerstimme und das Schwarmverhalten der flatternden Vogelschar imitiert.

Nachbildung bestimmt ebenfalls die Wiedergabe der berühmten Chaconne d-Moll BWV 1004 für Violine solo von Johann Sebastian Bach, deren strenger Kontrapunkt durch die Bearbeitung für Orgel (Messerer/Blohn) geradezu aufgeweicht wirkt. Farbige Register sorgen für einen romantischen, kuschligen und aufgeblähten Sound, der kaum im Sinne des Erfinders gelegen haben dürfte. Dagegen werden die ständigen bogenförmigen Geigenrepetitionen durchaus hörbar. Dennoch wird aus Bach urplötzlich Mendelssohn Bartholdy, gibt es gelegentlich geradezu drehleierische Trivialität zu hören. Jedoch gelingt und klingt das Einleitungsstück des Abends, Jan Pieterszoon Sweelincks „Fantasia chromatica“, wie man sich’s wünscht. Über einem langsam schreitenden Bass erhebt sich eine getragene Melodiestimme, beides in langen Notenwerten. Langsam ändert sich die Stimmung, gewinnt das fabulierende Element die Oberhand, wird es heller, bewegter, schärfer getönt. Und so runden Anfang und Ende ein abwechslungsreiches Angebot, das zwischen filigran und kompakt die Sinne berührt. Peter Buske

Nächstes Konzert am Mittwoch, 21. August, um 19.30 Uhr mit Franz Lörch in der Erlöserkirche

Peter Buske

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