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Kultur: Dauergeliebte

„Die Mätresse des Königs“: Lesung im Marmorpalais

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Ihr Leben wäre ein grandioser Stoff für eine Seifenoper. Wilhelmine Encke, die Trompeterstochter aus Dessau, war noch ein Kind, als Thronfolger Friedrich Wilhelm bereits ein Auge auf sie warf. Angetan von ihrer Schönheit und Intelligenz wurde sie im zarten jugendlichen Alter zu seiner Geliebten. Er eilte des Nachts mit dem Pferde zu ihr – drei Stunden hin, drei Stunden zurück: um die amourösen Eskapaden vor den bösen Blicken des Onkels, König Friedrich II., zu verbergen.

Die entbrannte Leidenschaft dauerte mehr als dreißig Jahre – auch wenn ihr einige Blessuren nicht erspart blieben. Aber genau das macht das Leben ja so spannend – und die mit leichter Feder von Edelgard Abenstein aufgeschriebene Biografie auch so lesenswert. Die Autorin stellt ihre „Mätresse des Königs“ morgen am Originalschauplatz vor: im Marmorpalais im Neuen Garten Potsdam. In diesem Refugium Friedrich Wilhelm II. legte die „preußische Pompadour“ selbst fleißig Hand an: als feinsinnige Kunstkennerin richtete sie die königliche Wohnung ganz nach ihrem Geschmack ein.

Die als Gräfin Lichtenau in den Adelsstand erhobene Wilhelmine, die in einer Scheinehe mit dem Gärtner und Geheimen Kämmerer Ritz lebte, wusste vieler Widersacher zum Trotz ihre Stellung zu behaupten. Sie ertrug die Seitensprünge ihres Geliebten, die ihn immer mal wieder auch in andere Betten trieben. So in das von Julie von Voss, die er zu seiner morganatischen Frau erwählte: zur zweiten Gattin linker Hand. Als Julie – inzwischen Gräfin Ingenheim – kurz nach der Eheschließung starb, kümmerte sich Wilhelmine um den verwaisten Sohn ebenso wie um die eigenen fünf Kinder, die sie mit dem König hatte. Offensichtlich hatte Friedrich Wilhelm II. ein sehr großes Herz: denn trotz seiner entfachten Leidenschaft für Julie ging er nicht auf deren Forderung ein, Wilhelmine samt Kinder nach Ostpreußen zu verbannen. Die Liaison zu Wilhelmine hatte offensichtlich ein sehr festes Fundament: genährt durch die enge geistige Nähe. Selbst als die Rosenkreuzer seine Sinne vernebelten, und sie die Dauer-Mätresse kalt stellen wollten, willigte der König zwar in die Enthaltsamkeit ein, nicht aber auf gänzlichen Entzug. Die Mysterien des Wunderglaubens waren indes für Wilhelmine ein harter Brocken, denen sie nur schwer entgegen halten konnte. Erst nach dem Tod von Sohn Alexander – dem Liebling des Königs – fand sie zu einer geeigneten Waffe. Sie täuschte selbst übersinnliche Erscheinungen vor, ließ den Geist Alexanders zu sich sprechen. Der naiv gläubige Monarch zweifelte keine Minute an diese „Offenbarungen“.

Edelgard Abenstein lässt ein viel gesichtiges Bild jener Zeit entstehen und weiß es mit Zitaten aus bislang unveröffentlichten Briefen authentisch zu untersetzen. Sie zeichnet blutvolle, manchmal auch etwas überschwängliche Porträts, die die menschlichen Seiten aber durchaus nahe rücken lassen. Und natürlich fühlt man mit dieser Frau, als sie nach dem Tod des Königs in Ungnade fällt, inhaftiert und all“ ihrer Güter beraubt wird. Doch wo Licht ist, fällt auch Schatten. Nicht jeder gönnte dieser Frau aus einfachen Verhältnissen diese Karriere – das anregend-geistige Leben in ihrem Salon, verborgen hinter hohen Mauern. Unwissenheit nährte Fantasie und Neid.

Doch die tatkräftige Frau ließ sich nicht unterkriegen. Sie schrieb ein dickes Buch gegen ihren moralischen Tod. „Damit gelang ihr wohl größter Triumph“, so die Autorin. Wilhelmine wurde durch den altersmilden Friedrich Wilhelm III. Jahre später rehabilitiert und begann ein zweites Leben. Sie wurde erneut zum gesellschaftlichen Mittelpunkt, beschäftigte sich mit Kunst und Literatur.

„Diese interessante, hochgebildete und sehr verkannte Frau gewann bei näherer Bekanntschaft mehr und mehr. Über die Zeit Friedrich Wilhelm II. blieb sie verschwiegen wie ein Grab. Ein Zug tiefer Trauer, wahrhaften Schmerzes sprach aus ihren schönen Zügen, wenn auch nur die entfernteste Andeutung dahin gemacht wurde. Ihre Gestalt war reizend. Ihr Hals, ihr Nacken, ihr Gesicht erschienen noch wahrhaft jugendlich schön“, schrieb der Chronist Wilhelm Dorow. Da war die Gräfin bereits 60. Acht Jahre später trug man sie in Berlin zu Grabe. Am Ende ihres Lebens hatte sie allem Glanz entsagt.

Edelgard Abenstein, „Die Mätresse des Königs. Die Gräfin Lichtenau alias Wilhelmine Encke“, 24,90 €.

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