Wer singt heute noch begeistert deutsche Weihnachtslieder? Jocelyn B. Smith, die Jazzsängerin aus New York City, tut genau das. Am ersten Weihnachtsfeiertag trat die Amerikanerin im Nikolaisaal auf und präsentierte mit ihrer fünfköpfigen Gästeformation, wie sie die Band nannte, allerlei Weihnachtliches – darunter auch deutsche Lieder, die heute oft unter dem Stichwort Altbacken abgelegt sind. Jocelyn Smith holte sie wieder hervor.
Angekündigt war Weihnachtsjazz, bisweilen schien sich die Sängerin allerdings vergewissern zu müssen, ob es auch so war. „Wir spielen doch ein Weihnachtskonzert – oder?“, fragte sie die Kollegen, bevor sie sich in das nächste Stück hineinimprovisierte: Eine Variation über den Klassiker „Stille Nacht“ – „Silent Night“ auf Ethno und Latin. Hier zeigte sie, was alles möglich ist, wenn man sich über Stilgrenzen hinwegzusetzen traut.
Jocelyn Smith lebt bereits seit Langem in Berlin, deutsche Traditionen dürften ihr vertraut sein. Sie sang schon mit Udo Jürgens und den Berliner Philharmonikern. Gleichzeitig ist sie tief verwurzelt in der schwarzen Gospelmusik, der Jazz- und Soulmusik. Als sie fünf Jahre alt war, spielte sie bereits Klavier und begann damals bald, sich mit den Klassikern auseinanderzusetzen. Sie verlieh der Musik von Beethoven und Rachmaninow ihren eigenen Touch. „Ich liebte sie, weil sie so temperamentvoll sind, aber ihnen fehlte der Beat“, erinnert sich die Musikerin.
Ein bisschen fehlte auch im Potsdamer Konzert der Beat. Was sehr schade war, denn wenn man die Stimme der Sängerin hört, bekommt man eine leise Ahnung davon, was sie sie leisten kann, wie sehr sie ihre Zuhörer mitnehmen könnte. Funk, Jazz, Soul – am Mittwoch bekam man den Eindruck, die großartige Sängerin wollte nicht so recht den Deckel von der Kiste nehmen oder war noch zu sehr in der zuckrigen Weihnachtsstimmung gefangen. Gar zu gern hätte man die Frau an Piano und Gesangsmikro, die Band mit Gitarre, Cello, Klarinette und Saxofon, Flöte und Percussion in Ekstase erlebt – die gab es aber nur häppchenweise.
Zumeist wurde Weihnachtliches gespielt. Dabei griff die Band die Melodie von „Ich steh an deiner Krippen hier“ auf, auch aus „Ave Maria“ wurde ein Arrangement, in dem die Stimme der Sängerin im Mittelpunkt stand und erstrahlte. Die Jazz-Diva ist eine Meisterin der leisen, der zarten Töne, unglaublich sauber und mit Tiefgang, ohne übermäßig affektiert zu wirken, füllt sie den Klangraum. Mal nur mit Piano, mal mit vorsichtiger Unterstützung der Band stand diesmal ganz klar die Stimme im Mittelpunkt, sehr passend zum Namen der Konzertreihe: „The Voice in Concert“. Mit ihrem Tonumfang und den diversen Klangfarben variierte sie ihre Stimme wieder und wieder, hauchte der Musik den Charakter von Klezmer oder Country ein und bewies, dass Soul natürlich von Seele kommt. Bei einer zackigen Variation von „Gloria in excelsis deo“ zeigte sich, dass die Band auch mehr kann als zärtlich die Stimme der Sängerin zu umhüllen. Der kleine Ausbruch der Temperamente war sehnlichst erwartet worden. Auch das amerikanische Weihnachtslied „We wish you a merry Christmas“ mit einem „kleinen, schmutzigen Berlin Twist“, einer lokalen Prägung, wie Jocelyn Smith sagte, stieß auf Gefallen. Die Zuhörer wollten mehr davon. Steffi Pyanoe
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