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Kultur: Dem Raum angepasste Bach-Preziosen

Orgelkonzert mit Jan Overduin in der Klein-Glienicker Kapelle

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Nach 13 Takten oder einer Minute bricht die C-Dur-Fantasie ab, die Johann Sebastian Bach 1722 ins „Clavier-Büchlein vor Anna Magdalena Bachin“ geschrieben hat. Die Gründe dafür? „Eine innere Stimme mag ihm gesagt haben“, mutmaßt Organist Jan Overduin, „dass noch was bleiben muss für den Himmel“. Bei seinem Orgelkonzert mit ein- bis sechsstimmiger Musik von Bach führte er am Sonntag in der Klein-Glienicker Kapelle einiges von solchen himmlischen Stücken vor. Doch noch bewegt sich die eingangs gespielte Fantasie in C-Dur BWV 573, von Wolfgang Stockmeier ergänzt, in ziemlich irdischen Bereichen. Flink eilt die Melodie im Diskant vorüber. Akkordische Zutaten finden sich dann im vollen Orgelwerk wieder. Ein strahlender, fröhlich stimmender Einstieg.

Im Bicinium „Allein Gott in der Höh“ sei Ehr“ geht es, nomen est omen, zweistimmig zu. Keck und kapriziös singt die achtfüßige Oboe die Choralstimme, die mit hübschen Arabesken reich verziert wird. Im einleitenden Satz der Sonata I BWV 525 ist“s die eineindrittelfüßige Quinte mit ihrem spitzigen und durchdringenden Klang, die aufhorchen lässt. Das Adagio bezieht seine verinnerlichte Wirkung durch gedeckte Farben, während das Allegro volltönend und virtuos erklingt. Spätestens hier wird deutlich, dass sich Jan Overduin mit der (zu) voluminösen Schuke-Orgel versteht und sie dem Raum vorzüglich anzupassen kann. Er erzeugt eine nahezu kammermusikalische Atmosphäre, weiß um die Wirkung von prägnanten Soloregistern, die er nicht um des Effekts willen, sondern sinnvoll einsetzt.

Der im holländischen Franeker/Friesland geborene Jan Overduin studierte an der Musikhochschule in Hannover und bei Jean Langlais in Paris. Dann wanderte er nach Kanada aus, erwarb den Master in Music (Orgel) an der Western-University Ontario. Zwei Bücher über Improvisation und Bachs Kunst der Fuge hat er bereits veröffentlicht. In diesem Jahr gab er seine Tätigkeit als Kantor der First United Church im kanadischen Waterloo auf, wo er noch den Erwerb einer mechanischen 44-Register-Orgel begleitet hatte. Die kleineren Instrumente mit ihren klanglichen Möglichkeiten scheint er besonders zu lieben. Natürlich kann er dem Zimbelstern nicht widerstehen, mit dem er dem durch Subbass und 16-Fuß-Fagott abgrundtiefen, einstimmigen Pedal-Exercitium BWV 596 die klingelnde Krone aufsetzt.

Seinen ausgeprägten Sinn für Klangfarben kann Jan Overduin ebenso in der Piece d“orgue (G-Dur-Fantasie) ausleben. Fröhlich und leicht ertönt das „Très vitement“, schwermütig und kaum endenwollend das „Gravement“, kontrastierend das „Lentement“, bei dem die Oberstimme per Rohrflöte himmelwärts steigt, während die Unterstimme (Subbass) in der Tiefe grummelt. Nicht weniger packend verbreitet sich die Choralbearbeitung „Dies sind die heil“gen zehn Gebote“ BWV 678, die tremulierend und zungenstimmenweich beginnt, mit Fanfaren und Trompeten ins „orchestrale“ Finale mündet.

Fürs kunstvoll geknüpfte Strukturgeflecht des sechsstimmigen „Ricercare“ (aus dem „Musikalischen Opfer“) wählt er prinzipalbetonte Register. Überschaubar, gleichsam mit mathematischer Folgerichtigkeit spielt er es. Dass es keine Formel bleibt, sondern zur Kunst transformiert, verdankt sich des Organisten hingebungsvollem Opferdienst. „Schön!“, seufzt danach eine ergriffene Frauenstimme. Nochmals zu erleben gibt es Jan Overduin am 16. 2., 19.30 Uhr, in der Französischen Kirche, wo er Bachs „Kunst der Fuge“ komplett darbieten wird.Peter Buske

Peter Buske

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