Kultur: Dem Rot schmeicheln
Die Kostümbildnerin Jessica Karge wirkt gleich an drei Inszenierungen mit und schlägt dabei einen großen zeitlichen Bogen
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Jessica Karge reist durch die Zeiten und hat dabei gleich auf drei „Baustellen“ ihr Tun: In dem Historienstück „Katte“ geht es in die „Zopfzeit“ zurück, in Lessings Drama „Nathan der Weise“ wird der gedankliche Radius von den Kreuzzügen bis zum Krieg im Irak geschlagen und „Sicherheitsabstand“ zielt direkt ins Wohnzimmer von nebenan.
Jessica Karge ist Kostümbildnerin und in Potsdam keine Unbekannte. Erfolgsinszenierungen wie „Frau Jenny Treibel“, „Eines langen Tages Reise in die Nacht“, „Amadeus“ und „Welche Droge passt zu mir“ trugen auch ihre künstlerische Handschrift. Für den jetzigen Dreierschlag zur Eröffnung des neuen Theaters arbeitet sie erneut mit den Regisseuren Petra Luisa Meyer und Uwe Eric Laufenberg zusammen. „Bei Katte habe ich mich getraut, mit Perücken aufzuwarten, wovor man ja sonst eher zurück schreckt. Nathan ist hingegen sehr heutig angelegt, und in Sicherheitsabstand geht es um das Ende einer Ehe, so wie es sich immer wieder abspielt.“ Das Team um Regisseurin Petra Luisa Meyer war sich schnell einig, dieses Drei-Personen-Stück nicht im Klein-Klein einer Küche ersticken zu lassen. Es spielt auf der Vorbühne: „sehr hell, sehr durchgestylt. “ Obwohl Jessica Karge die klare Form durchaus liebt, ist sie auch glücklich, wenn sie noch irgendwo ein Rüschchen ranhängen kann. „Die Tendenz am Theater geht ja eher dahin, sehr heutig und filmisch zu sein, und da stößt man in meinem Beruf an Grenzen, braucht eigentlich nur noch einkaufen zu gehen. Auch das ist manchmal richtig, aber natürlich möchte man sich hin und wieder ausleben können.“ Die Kostümbildnerin muss sich dabei auch mit den Farben des neuen Theaters arrangieren. „Und die sind nicht so ganz dezent. In diesem Rot verbieten sich viele Farben. Natürlich will ich das Haus so schön wie möglich zur Eröffnung präsentieren und nicht schrill dagegen angehen. In der Bühnentiefe ist man freier, ist die genaue Farbabstimmung nicht so zwingend wie bei ,Sicherheitsabstand“, wo wir im Zuschauerbereich mehr gefangen sind.“
Da das Hans Otto Theater nur wenig Geld hat, muss sie sich bemühen, mit kleinem Etat viel zu schaffen. „Und da kann ich nur die Unterstützung durch die Abteilungen immer wieder loben.“ Jessica Karge arbeitete schon an ganz anders ausgestatteten Häusern, wie der Oper in Brüssel. „Aber ich lehne niemals Aufträge von kleinen Theatern ab. Ich habe mir geschworen, dass es nicht sein kann, dass mir etwas zu popelig ist. Auch die Leute in kleinen Städten wollen gutes Theater sehen. Notfalls muss man eben etwas aus einer Zeitung falten.“ Es ist deutlich zu spüren, wie Jessica Karges Herz fürs Theater schlägt. Schon als kleines Kind saß sie stundenlang mit auf Proben: an der Seite von Mutter oder Vater, die beide Schauspieler sind. Ihnen nacheifern wollte sie indes nicht. „Ich bin ein beglückter Zuschauer, das reicht mir.“ Aber die Großeltern scheinen ihr Erbe weitergereicht zu haben. Es gab Hutmacher und Schneider in der Familie. Und als ihre Mutter Bärbel Bolle als Isabell in „Maß für Maß“ die tollsten Kleider trug, verzauberte das natürlich auch das Töchterchen.
Schließlich lernte sie an der Staatsoper Berlin Theaterschneiderin und ging dann als Kostümbildnerin ans Burgtheater Wien. „Den Fuß in die Tür bekam ich sicher aufgrund meines Namens, aber dass ich es dort länger als ein Vierteljahr aushielt, lag natürlich an mir. Es war eine verdammt harte, aber auch gute Schule.“
Seit 1990 ist Jessica Karge freischaffend und ständig unterwegs: „Man verkauft sich rund um die Uhr, bekommt dafür aber Einblicke, die einem sonst nicht möglich wären.“ Und die erhielt sie bei den Wiener Festwochen ebenso wie am Schauspielhaus Zürich, am Deutschen Theater oder am Maxim-Gorki-Theater Berlin. Seit 1991 arbeitet sie immer mal wieder mit Uwe Eric Laufenberg zusammen, der sie als Gast auch nach Potsdam holte. Und ihr durch den jetzigen Dreierpack öfter schlaflose Nächte bereitete.
Die Dauerreisende hat sich in der Geburtsstadt Berlin, bei ihren Freunden und Eltern, ihren Lebensmittelpunkt bewahrt. „Ansonsten habe ich ein eher konfuses Privatleben, so ein Beruf macht ein geregeltes Familiendasein einfach schwierig.“ Bei dieser Unstetigkeit ist es für sie umso angenehmer, in bereits vertrauten Teams zu arbeiten, in denen sich schon eine gemeinsame Sprache entwickelt hat. So wie jetzt am Hans Otto Theater.
Jede Neuinszenierung beginnt mit der Auseinandersetzung zu Zeit und Stück. „Dann zeichne ich, was ich zu den Figuren denke und stelle es zur Diskussion. Im Fundus werden dann die Probenkostüme rausgesucht. Dabei versuche ich, dem Impetus der Schauspieler entgegenzukommen. Schließlich müssen sie sich ja zwei Monate darin bewegen. Man legt sich damit schon ein bisschen fest, aber ein Korrektiv ist immer möglich. Das Kostüm ist zugleich die Haut der Figur und des Schauspielers. Schließlich wirft der Darsteller seinen Körper nicht über Bord, bloß weil er eine Rolle spielt. Also sollte man etwas finden, wo sich beide wohl fühlen.“
Auch ihren Vater Manfred Karge hat sie in Potsdam eingekleidet. Er spielt in „Katte“ den Soldatenkönig und spricht den allerersten Satz im neuen Haus: „Ich bau den neuen Staat ...“ Heidi Jäger
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