Kultur: Dem Seelöwen geht es an den Kragen
Mit Firma Roland Schulze auf Denkmalpflegetour in Lustgarten, Berliner Vorstadt und Am Stern
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Maurer Thomas Wagner nimmt das Areal in Augenschein, schöpft dann mit der Kelle einen Schwapp flüssigen Mörtel aus dem Eimer und schleudert ihn locker, aber gezielt an die Wand. Perfekt breitflächig verteilt sich alles über die rohen Ziegel. Wagner kann sich noch erinnern, wie er das als Azubi üben musste: Beim Decke Verputzen landete mehr auf den Lehrlingen als da, wo es hinsollte.
Heute ist er in wenigen Minuten mit dem Mauerwerk am Berliner Tor fertig. Als Mitarbeiter der Firma Baudenkmalpflege Roland Schulze ist er an diesem Dienstag seit sieben Uhr mit weiteren Kollegen unterwegs, um bei Potsdamer Baudenkmalen und Kunstwerken im öffentlichen Raum nach dem Rechten zu sehen, kleinere Reparaturen sofort zu erledigen. „Eine Menge Aufwand für etwas, was manchmal gar nicht so wahrgenommen wird“, sagt der 46-Jährige. Vermutlich gibt es Potsdamer, die gar nicht wissen, dass der Halbbogen in der Berliner Straße auf Höhe des Klinikums ein Stadttor flankierte. 1752/53 entstand dort der Bau von Jan Bouman, ein Triumphbogen ganz nach dem Geschmack Friedrich II. Das Tor wurde im Krieg zerstört, die Ruinen 1952 abgerissen. Nur dieser Seitenflügel steht noch. Dort machte sich im Mauerwerk nun stellenweise Feuchtigkeit breit. Schon vor Wochen hat Wagner die schadhafte Stelle sauber ausgefräst. Jetzt misst er mit einem kleinen elektronischen Gerät die Feuchtigkeit im Gestein. „40, das ist okay“, sagt er. Der Zement-Spritzbewurf kann drauf, als Grundierung für den Putz, der in einigen Wochen kommt.
An den meisten Tagen ist Wagner schon vor sechs Uhr in der Firma, checkt den Tagesplan, bestückt das Auto. Baustoffe, Wasser, Farbe, Mixer und einen kleinen Generator haben sie immer dabei. Auch diverses Werkzeug bis hin zu Besen und Mülleimer gehört zur Grundausstattung. Denkmalwartung heißt auch, hier mal Glasscherben auffegen, dort Graffiti oder Aufkleber entfernen. Schadensmeldungen bekommen sie von der Stadtverwaltung, auch Bürger rufen an und geben Bescheid, wenn ihnen etwas aufgefallen ist.
Die Dienstagstour beginnt mit einem Besuch im Lustgarten. Am Neptunbassin, das zu DDR-Zeiten zugeschüttet war, weil in der Nachbarschaft Stadion und Interhotel entstanden, werden zwei Infotafeln wieder aufgestellt. Irgendjemand hatte sie aus den Metallrahmen gerissen, die Firma Schulze hat sie gesichert und aufgearbeitet, die Schraubverbindungen überholt. Wagner und sein Kollege sind gern hier am Wasser, fette Enten schieben sich behäbig durchs Frühlingsgras, Bootsmänner von der Weissen Flotte schauen von den noch leeren Schiffen herüber. Wenn die Sandstein-Skulpturengruppe von 1746-48 in dem Bassin wieder an der Reihe ist, einmal im Jahr Entendreck, Algen- und Pflanzenbewuchs abgekärchert werden, ist mehr zu tun. Dann muss für die Maschinen ein Steg übers Wasser gebaut werden und Kollege Christoph Ehrlich, der Jüngste im Team, in brusthohen Wathosen ins Becken steigen.
Bauleiter Michael Groth probiert an diesem Morgen noch schnell die Touristenbespaßung aus. Sieben Minuten Nebel-Show für die Neptungruppe verspricht eine kleine Metallbox am Ufer – sofern man ein paar Münzen einwirft. „Mal schauen, ob’s funktioniert“, sagt Groth. 50 Cent versenkt er im Kasten, nichts passiert. Die Stahl-Nebel-Skulptur von Raiko Epperlein und Rainer Fürstenberg bleibt trocken. „Ein Fall für den Pumpenverantwortlichen“, sagt der Bauleiter.
Weiter gehts, anderer Ort, auch in Wassernähe: Vor dem Kiezbad am Stern stehen ein kniehohes Flusspferd und ein Seelöwe, Betonplastiken von Petra Paschke aus den 1980er-Jahren. Beim letzten Besuch waren Risse am Seelöwen aufgefallen, die jetzt behandelt werden. Das Prozedere ist wie beim Zahnarzt: Das Tier bekommt zunächst eine Art Latz vorgebunden, damit kein Baumaterial den Boden verunreinigt. Dann legt Wagner den Winkelschleifer an den Hals des Seebären, der – ganz passend – den Kopf zurücklegt. Fräst vorsichtig die Risse frei, Christoph Ehrlich rührt derweil im Werkstattwagen Sand und Zement zusammen. Damit wird der Riss verspachtelt.
Die Aktion erregt Aufmerksamkeit bei Badbesuchern, auch Wolfgang Walter, technischer Leiter der Bäderbetriebe, fragt, was los ist und ist dann beruhigt, dass hier alles seine Ordnung hat. Während der Putz trocknet, drehen die Maurer zu Fuß eine kleine Runde im Quartier. Vor dem Ärztehaus steht eine Blumenkeramik von Carola Buhlmann in einem Brunnen, Ehrlich fotografiert drei Stellen, an denen Ziegelsteine am Beckenrand abgeplatzt sind. Am großflächigen Plattenmosaik „Schwebendes Paar“ von Karl und Bruno Raetsch, das erst im vergangenen Jahr nach Instandsetzung wieder an seinem Platz neben der Rewe-Kaufhalle angebracht wurde, entfernt er zwei Aufkleber. Am Kepler-Platz steht auch die Skulptur „Lebensbaum“ von Vincent Vanitschke, eine Sandsteinarbeit aus den 70er-Jahren. Die wurde vor zehn Tagen gründlich gereinigt, alles ist in Ordnung. Wenn sie schon mal hier sind, zücken Wagner und Ehrlich die Cuttermesser und schneiden das Unkraut aus den Sockelfugen. Löwenzahn und Gras, Vogelmiere und Hirtentäschel verschwinden im Eimer, die saubere Fläche wird für die interne Dokumentation fotografiert. Bis zum nächsten Mal.
Etwa 180 Bau- und Kunstdenkmale gibt es in Potsdam im öffentlichen Raum. Im Auftrag der Stadt kümmert sich die Firma Baudenkmalpflege Roland Schulze kontinuierlich um Wartung und Restaurierung der Werke – das älteste ist die Stadtmauer in der Fischerstraße, das derzeit jüngste der Musikpavillon am Luftschiffhafen. Die PNN sind regelmäßig mit dabei.
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