Kultur: Den Giraffen schmerzte der Rücken
Das Musical „Der coole Noah oder Die zweite Chance“ hatte im Treffpunkt Freizeit Premiere
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Noah, Arche, Sintflut? Für den einen sind das olle Kamellen, für andere nur eine Mär. Nicht ernstzunehmen, dass ein Gott einst nicht länger zusehen konnte, wie die Menschen böser und böser wurden und eine Sintflut schickte! Die 37 Teilnehmer des diesjährigen „Musicalcamps“ in Werder – Kinder und Jugendliche aus den Ländern Brandenburg, Thüringen und Berlin zwischen 10 und 15 Jahren – haben sich von solchem Unglauben nicht kirre machen lassen. Zusammen mit Andreas Schulz und Christian Pohl studierten sie in nur neun Tagen das Musical „Noah und die coole Arche“ ein. Am Mittwoch war im Treffpunkt Freizeit Premiere, der Theatersaal proppenvoll, die Vorstellung heftigst umjubelt, danach geht“s auf Tournee nach Görzke und Glindow.
Ein durch und durch sympathisches Projekt mit dem Ziel, gemeinsam zu campen, Gott zu entdecken, Theater zu spielen, in der so gestalteten Freizeit Freude zu finden. Das Werk vieler Köpfe und Hände: Wie der Potsdamer Kirchenkreis dieses Camp zum dritten Male ausrichtete, so stellte die Kirchengemeinde Werder ihr Grundstück mit allen Räumlichkeiten zur Verfügung. Die musikalisch-literarische Vorlage (Ruthild Wilson, Helmut Jost) stammt von der „Kreativkirche“ Deutschlands, aus dem Ruhrgebiet. Eine extra gegründete Band aus drei Gitarren, Keyboard und Schlagzeug übernahm es, die teils höchst melodischen, teils rockigen Kompositionen lebendig zu machen. Keine Frage, das in hübsche Kostüme gekleidete „Personal“ war mit Feuereifer dabei, diese todernste Geschichte bühnen- und vor allem thematisch wirksam über die Rampe zu bringen. Die Darstellung war spielerisch heiter, Bezüge zur Gegenwart stellten sich von alleine her. Cool natürlich auch, dass sechs Pädagogen und Musiker ihren Jahresurlaub für dieses Projekt gaben und ein Teil der freiwilligen Spenden am Ausgang der Kindernothilfe Afrika übergeben wird. Gott zu entdecken, bedeutet den jungen Darstellern zuerst, die biblische Geschichte anzunehmen. Noah (Moritz Baars) wirkt auf seine Frau (Johanna Baars) in letzter Zeit so angespannt, denn ihm, einem Landmann, war der Bau dieses riesigen Schiffes angetragen. Ein demokratisch funktionierender Familienrat wird vor dem Prospekt einer Wüstenlandschaft einberufen. Kurze Szenen zeigen die Schlechtheit der Welt, Betrug, Diebstahl, falsches Gericht, doch richtig groß ist der allgemeine Spott der hämenden Menge inszeniert, als das „coole“ Boot Konturen annimmt. Ein starkes Kapital menschlicher Bosheit in Lied und Arrangement. Dann kamen die Tiere paarweis in ganz entzückenden Kostümen, Affe und Esel, Pfau und Elefant, ein riesiges Gewimmel. Sehr hübsche Szenen vor und im Inneren des Kahns, was sich durch Umdrehen der Kulissen kinderleicht machen ließ: Unzufrieden die Giraffen, weil zu flache Räume ihnen Rückenschmerz bereiten, sauer auch die Mäuse, da man rücksichtslos auf ihnen herumlatscht. Und die Flöhe? Als sich ein Sohn Noahs ständig juckte, wusste man, auch sie sind an Bord. Ein Regenschirmtanz dreier Kinder nach US-Geschmack ließ den Regen nur so rinnen. Immer wieder von Songs, von sentimental über Rock bis zum Rumba unterlegt, lief dieses Spiel sehr plastisch über neunzig Minuten. Der Saal war feste mit dabei.
Ziemliche Seligkeit dann nach der langen Regenflut, Ringelreihn, Tänze. Man sprach zwar von einer „zweiten Chance“, doch mit deutlichem Zweifel, ob sich die Menschen nun bessern wollten. Dafür Gottvertrauen. Nie wieder wird er „völlig“ vernichten, was er so liebt! Seine Zusage gilt. Ein Regenbogen am Schluss hat es bezeugt. Gerold Paul
Morgen Kunsthof Glindow, 19.30 Uhr
Gerold Paul
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